keine Kommentare
«Baratella – un porto sicuro»
Alle paar Jahre lässt das Restaurant Baratella seine Speisekarte von einer Künstlerin oder einem Künstler gestalten. Jetzt ist es wieder so weit: Ab Dezember blättern die Gäste bei der Auswahl der Speisen durch ein von Hans Schweizer gestaltetes Kunstwerk. von Larisa Baumann

Hans Schweizer liess sich von seinen zahlreichen Italienreisen inspirieren. (Bilder: Larisa Baumann)
Am selben Tag, an dem ich mit Hans Schweizer im Baratella sitze und mit ihm über die von ihm neugestaltete Speisekarte spreche, gibt ICOMOS Suisse die Gewinner:innen für das kommende Jahr bekannt: Das Baratella wird zum «historischen Restaurant 2025» gekürt. Eine Auszeichnung, die jährlich vergeben wird und aktuell die Kronenhalle in Zürich trägt. In der «Kronenhalle der Ostschweiz», wie das Baratella auch bezeichnet wird, zeugt das historische Erscheinungsbild mit dem lindengrün bemalten Holztäfer, dem dunklen Parkett, den klassischen Thonet-Stühlen und den mit weissen Stofftüchern gedeckten Tischen von seiner langen Geschichte.
An den Wänden des von der Familie Marchesoni seit 1963 geführten Restaurants hängen Kunstwerke, die auf eine lange Tradition verweisen: Alle drei bis vier Jahre wird ein:e Künstler:in aus dem In- oder Ausland damit beauftragt, die Speisekarte des Baratella neu zu gestalten. Während sich der Restaurantgast auf das Angebot von hausgemachter Pasta und weiteren italienischen Spezialitäten verlassen kann, ist das neue Design der Karte stets eine Überraschung.
Dieses Jahr ist es wieder so weit: Hans Schweizer hat die neue, übergrosse Speisekarte im Format 50 × 44 cm gestaltet. Am 7. Dezember findet im Baratella die Vernissage statt, für die sich Interessierte anmelden können. Wie gewohnt steht auch eine begrenzte Anzahl nummerierter und signierter Exemplare zum Verkauf.
Eine lange Tradition
Die Kulturinitiative des Restaurants Baratella geht zurück auf das Jahr 1976. Sie wurde angeregt von den beiden Galeristen Franz Larese und Jürg Janett. Die Begründer der Erker Galerie am Gallusplatz gingen fast täglich im Baratella essen. Oft brachten sie Künstler:innen mit, darunter beispielsweise Giuseppe Santomaso, Eugène Ionesco, Serge Poliakoff, Günther Uecker und Piero Dorazio. Letzterer hat dann auch die erste künstlerische Speisekarte des Baratella gestaltet. 1979 wurde Guiseppe Santomaso mit dieser Aufgabe betraut. Danach folgte eine fast elf Jahre dauernde Pause.
Mit Franco Marchesoni führt seit 1989 die zweite Generation das Restaurant. Die Idee der künstlerisch gestalteten Speisekarte weiterzuführen stand für ihn ausser Frage. Zusammen mit dem Designer Charles Keller beauftragte er ein Jahr später den damals in St.Gallen lebenden österreichischen Künstler Günther Wizemann. Die Künstler:innen haben freie Hand beim Gestalten, allen gemein sei, dass sie bereits vor dem Auftrag eine Beziehung zum Restaurant gehabt hätten, wie Franco Marchesoni erklärt.
Von den Italienreisen inspiriert
Hans Schweizer ist nun der zwölfte Kunstschaffende, der eine Speisekarte gestalten durfte. Die letzte wurde von Zin Taylor gestaltet. Die davor von Silvie Defraohi. An wiederkehrenden und einmaligen gesellschaftlichen Anlässen ist Schweizer im Baratella anzutreffen. Der in Herisau geborene und in St.Peterzell aufgewachsene Künstler ist viel und weit gereist. Seit 1990 wohnt er im appenzellischen Gais.
Auf die Idee zur neuen Speisekarte sei er schnell gekommen, erzählt er. Vom italienischen Restaurant schweiften seine Gedanken zu seinen Italienreisen, während deren er bereits zahlreiche Skizzen angefertigt hatte, zu italienischen Hafenstädten und vor allem zu einem Haus am Meer, in dem er immer wieder zu Gast ist. Von dort sieht er in der Nacht die wechselnd blinkenden Leuchttürme: Grün – Rot – Grün – Rot – Grün – Rot, immer im Rhythmus, dazwischen das Wasser, die Luft, die Dunkelheit, ein Leerraum zum Füllen bereit mit eigenen Bildern und Gedanken. Alles ist in Bewegung, das Licht, die Luft, das Wasser, die Spiegelungen auf dem Wasser.
Vernissage der neugestalteten Speisekarte Porto von Hans Schweizer: 7. Dezember, ab 18 Uhr, Restaurant Baratella St.Gallen, Anmeldung notwendig.
restaurantbaratella.ch
Das Narrativ ist Hans Schweizer wichtig in seiner Arbeit, die den Titel Porto trägt. So leicht und locker das Resultat erscheinen mag, an der Umsetzung der Idee arbeitete er monatelang. Die Leichtigkeit geht nicht zuletzt auch auf die Farbe Weiss im Bild zurück, die Schweizer ganz bewusst einsetzt. Obwohl es sich bei Steindruck um eine Technik mit oberflächlicher Bearbeitung handelt, schafft der Künstler mit unterschiedlichen Farbintensitäten, weissen Umrahmungen und Leerstellen Raum und eine gewisse Tiefe. Darüber hinaus nimmt er mit Grün, Weiss und Rot die Farben der italienischen Trikolore auf.
Gekonnt spielt Hans Schweizer mit dem Falz der Speisekarte. Bei gefalteter Karte befindet sich der rote Leuchtturm auf der Vorder-, der grüne auf der Rückseite. Die Lichter sind daher nur abwechselnd zu sehen. Halten die Besuchenden jedoch die Speisekarte geöffnet vor sich, um sich durch das vielfältige Speiseangebot zu lesen, befindet sich das rote Licht in ihrer linken Hand, ergo backbord, das grüne Licht in ihrer rechten Hand, also steuerbord, und die Gäste mitsamt der angewinkelten Karte – einem abstrakten Schiffsbug gleich – steuern auf einen sicheren Hafen zu.