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Ein Aufruf, sich zu verschwestern
Dieses Wochenende ruft das Theater Konstanz virtuell zur Verschwesterung auf. Mit dem digitalen Festival «Female Artists» startet die neue, als alljährliche Veranstaltung geplante Festivalreihe LET’S ALLY. Im Zentrum: die Care-Arbeit. Von Franziska Spanner

Szene aus «Care Affair». (Bild: pd)
Miteinander stärker in Kontakt zu treten und sich zu verbünden: Das sehen die Initiantinnen vom Theater Konstanz als Ziel des erstmalig stattfindenden Festivals. Das Kuratorium besteht aus Franziska Autzen (Hausregisseurin), Karin Becker (Intendantin), Meike Sasse (Dramaturgin und Beauftragte für Diversitätsdiskurs und -entwicklung) und Hannah Stollmayer (Dramaturgin). Die neue weibliche Führungsriege des Theaters gab Anlass für das Motto des ersten Festivals: «Female Artists». In den nächsten Jahren sollen jedoch immer wieder andere Gruppen im Zentrum des Festivals stehen.
Am Telefon haben Franziska Autzen und Hannah Stollmayer schon einmal verraten, was das Publikum bei dem ursprünglich physisch konzipierten Festival, das nun digital stattfindet, erwartet. Denn eigentlich wollten die Macherinnen im Rahmen von LET’S ALLY mit dem Theater in die Stadt gehen und den Bürgerinnen und Bürgern Hallo sagen. Das Festival sollte in drei Spielstätten stattfinden und ausserdem lokale Institutionen, wie eine Buchhandlung, eine Bar oder ein Kino einbeziehen.
Aufgrund der Coronapandemie ist das derzeit zwar nicht möglich, aber man wollte Wort halten und den diesjährigen Fokus auf «Female Artists» mit einem vielfältigen Programm beibehalten. Das digitale Format, so Autzen und Stollmayer, bietet nun sogar die Möglichkeit, die Fäden über Konstanz hinaus zu spinnen und das Festival einem grösseren Publikum zugänglich zu machen.
Neue Bilder für die Care-Arbeit
Gleich dreimal (am 6., 7. und 8. März) wird der Beitrag Care Affair des Kollektivs Frauen & Fiktion (Anja Kerschkewicz, Eva Kessler, Felina Levits, Paula Reissig) gezeigt. Nicht nur ist das Thema «Care» mit der Coronapandemie noch stärker in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt, auch erleben Frauen, die Care-Arbeit leisten, generell Einschränkungen hinsichtlich ihrer Karriere- und Entfaltungsmöglichkeiten.
Autzen und Stollmayer kritisieren etwa die oftmals mangelnde Unterstützung seitens der Arbeitgeber. Und die Vereinbarkeit von Theatermachen und Care-Aufgaben? Die beiden erzählen, dass trotz der anspruchsvollen und zeitaufwendigen Tätigkeit der Gang zur Kita oder zum Kinderarzt immer eingeplant werden könne. Und sollte man für die Abend-Proben einmal keine Betreuungsperson haben, kämen die Kinder einfach mit zur Probe.
So wie am Arbeitsort Theater die oft starren Grenzen zwischen Familie und Beruf aufgeweicht werden, möchte das Kollektiv Frauen & Fiktion die mit Care-Arbeit verbundenen Klischees und Geschlechterrollen überwinden. Das Geschlecht der Schauspieler*innen ist für die Darstellung irrelevant. Auf diese Weise möchten Frauen & Fiktion die nach wie vor starke gesellschaftliche Koppelung von Care-Aufgaben an Frauen lösen, sagen Autzen und Stollmayer.
LET’S ALLY: 6. bis 8. März, Theater Konstanz im Livestream
Darüber hinaus versuche das Stück Care Affair, fürsorglichen Tätigkeiten «sinnliche Bilder» zu geben. Hierfür hat das Kollektiv Interviews mit Expert*innen geführt, die selbst Fürsorge-Arbeit leisten – sei dies privat und/oder beruflich. Die Gespräche werden auf der Bühne performativ – ergänzt durch Video-Einspieler und musikalische Untermalung – aufgegriffen und in einen glamourösen Kontext gesetzt. Eine Ode an Fürsorge und Pflege also!
Der Theaterabend, der theoretisch auch live möglich gewesen wäre, ist nun aufgenommen und zu einem Film gemacht worden, der dem Publikum präsentiert wird. Für das interdisziplinär arbeitende Kollektiv Frauen & Fiktion ist dies nichts Neues. Schon vor der Coronazeit haben die Performerinnen digitale Projekte, beispielsweise via Telegram, auf die Beine gestellt.
Starke Frauen brauchen Raum
Am 7. März wartet das Festival unter anderem mit einer szenischen Lesung nach Virginia Woolfs Essay Ein Zimmer für sich allein auf. Der Titel hat die Macherinnen dazu bewogen, sich für diesen Text der Frauenbewegung zu entscheiden. Gerade im Zusammenhang mit den coronabedingten Schul- und Kindergartenschliessungen würden Frauen in besonderem Masse beruflich und in ihren Fürsorge-Rollen beansprucht. Viele Frauen sehnen sich gerade nach Ruhe und Raum für sich. Woolfs Plädoyer für die materielle und geistige Unabhängigkeit sowie Möglichkeit zur schöpferischen Entfaltung für Frauen soll diesem Wunsch Nachdruck verleihen.
In ihrem Essay würdigt Woolf zudem namhafte Autorinnen, wie Emily Brontë oder Jane Austen, um den Frauen ihrer Zeit weibliche Vorbilder zu geben. Auf die Frage, ob sie selbst feministische Vorbilder hätten, sind sich Autzen und Stollmayer einig: Spezifische Idole gebe es für sie nicht. Sie zögen Kraft und Inspiration aus vielen Frauen in ihrem Umfeld, die sie bewundern. Ihre Vielfalt und Diversität mache Frauen stark. Es spricht also alles dafür, uns zu verbünden. In diesem Sinne: Let’s ally!