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Was willst Du mal werden?
Warum wird man ab einem gewissen Alter nicht mehr gefragt, was man mal werden will?, fragt Saiten-Kolumnist Jan Rutishauser. Schliesslich kann man selbst im fortgeschrittenen Alter noch Neues erreichen.
Wann wurden Sie das letzte Mal gefragt, was sie mal werden möchten? Bei mir ist es schon ne ganze Weile her. 34 Jahre alt und niemand aus meinem Umfeld denkt, dass aus mir noch was wird. Anscheinend bin ich nur noch.
Als Kind hat mich meine Mutter mal gefragt: «Was wötsch mol werde, wenn Du gross bisch?» Worauf ich sagte: «Also wenn i gross bi, denn wött ich glücklich werde!» Und zack, gab sie mir eine Ohrfeige: «Was?! Vom Thurgau wegzieh welle?! So wiit chunts no!»
Das war natürlich nur ein Scherz. Die Ohrfeige hat mir mein Vater verpasst. Noch ein Scherz: Es waren Vater und Mutter.
Genützt hat es nichts: Heute lebe ich in St.Gallen, aber glücklich bin ich immer noch nicht. Vielleicht hatten meine Erziehungsberechtigten doch recht: Egal, wo man wohnt, am Ende trägt man den Thurgau einfach in sich.

Jan Rutishauser, 1987, ist Kabarettist, Kolumnist und Koach für Rechtschreibung und Comedy Writing. (Illustration: Lukas Schneeberger)
Früher wollte ich nicht nur glücklich, ich wollte auch Autor werden. Aber das schien mir ein Ding der Unmöglichkeit. Autor:innen waren Menschen mit Namen wie Tolkien, King und Rowling. Und nicht Rutishauser.
Autor:innen waren Leute, die aus dem Englischen übersetzt und dann erst gelesen werden. Und ich? Ich konnte kein Englisch.
Überdies: Niemand in meinem Umfeld schrieb. Denn meine Familie war bodenständig. Wir lebten im ersten Stock. Und meine Grosseltern waren allesamt Bauern. Oder tot. In einem Fall sogar beides gleichzeitig. Und bodenständiger als Bauer und begraben geht nun wirklich nicht.
«Was willst Du mal werden?» wird irgendwann mal zu «Und was kann man damit später mal machen?» bis es endet in einem simplen «Joah, und was machst Du so?»
Nur… Warum wird man ab einem gewissen Alter nicht mehr gefragt, was man mal werden will? Ich meine, selbst im fortgeschrittenen Alter kann man noch Neues erreichen. Als Harland Sanders, besser bekannt als Colonel Sanders, 1952 Kentucky Fried Chicken übernahm, war er sagenhafte 62 Jahre alt.
Andererseits: Kurt Cobain war mit 62 schon 35 Jahre lang tot. So betrachtet muss man jung schon geworden sein. Sonst ist es zu spät.
Aber vielleicht ist es auch ganz gut, dass man irgendwann nicht mehr gefragt wird, was man werden möchte. Denn schon Buddha hat erkannt, dass Verlangen zu Leiden führt. Und ohne was werden zu wollen, ist es viel einfacher, das Karriere-Hamsterrad zu verlassen und anderen beim Durchdrehen zuzuschauen.