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Alptraum Arbeit
Wir krampfen uns ab – wofür? Und mit welchen Folgen? Der irrgewordenen Arbeitswelt widmet die freie Theatergruppe Café Fuerte ihr neustes Stück Sonntag. Es animiert atemlos zum Innehalten.

Bilder: Laurenz Feinig
Keine Zeit, alles voller Termine, Dauerdruck im Beruf, man kann rumfragen, bei wem und wo man gerade will: Alle haben zu viel zu tun. Zumindest die Generationen X und Y. Was die Generation Z und ihre Einstellung zur Arbeit betrifft, sieht das Bild angeblich anders aus: arbeitsunwillig, bequem, anspruchsvoll seien die Zoomer von heute. Vermutlich ein Vorurteil der Boomer.
Wie auch immer: Tobias Fend und seine Mitspieler:innen im Stück Sonntag, Johanna Köster, John Kendall und Gregor Weisgerber, gehören definitiv zur Generation Krampfer. Sie rennen, treiben sich an, hetzen über die Bühne, dass der ehrwürdige Bretterboden im Trogner Kronensaal, wo das Stück Ende April gastierte, knurrt und knarrt.
Im Hamsterrad
«Nichts passiert, wenn ich nichts mache» heisst das Kommando in der Auftaktszene, atemlos skandiert in altmodischen Knittelversen mit englischen Einsprengseln, bis einer die Reissleine zieht: «Sunday ist, ‘s wird nicht geschafft». Aber der Sonntagszwang passt nicht in die Logik der Arbeits-Hochleistungsgesellschaft – also weiter im Hamsterrad!
In sieben Bildern entwirft und karikiert das neue Stück der freien, in Ausserrhoden und im Bregenzerwald heimischen Gruppe Café Fuerte diese Arbeitsrealität. Als Intermezzi zwischen den Spielszenen eingeschoben sind pantomimische Posen des Nichtstuns, ein amüsantes Bestiarium der Langeweile.

Nichts passiert, wenn ich nichts mache: Gregor Weisgerber, John Kendall, Johanna Köster und Tobias Fend (von links).
Die Assistentin eines Firmen-CEOs sitzt ihre Arbeitszeit beschäftigungslos ab – Zeit, die nicht mehr ihr gehört, verkauft an den Arbeitgeber, auch wenn er ihr keine Arbeit gibt. Einer ist gerade entlassen worden und erzählt vom Glück des Arbeitens – egal was, «man kann immer etwas tun». Ein anderer jettet von Fototermin zu Fototermin und kennt nur eins: Erschöpfung.
Zeit ist Macht
Wer über die Zeit herrscht, beherrscht die Menschen. Die Journalistin jagt ihrer Story nach, getrieben vom Chefredaktor, bis sie ein Unfall aus der Bahn und ins Krankenhaus wirft – und ihr ein Stück Zwangs-Freiheit zurückgibt. Einen anderen, ehemals Förster, hat die Mechanisierung zum Sklaven der Maschine gemacht – der Holz-Vollernter legt einen ganzen Wald um, wo vorher Menschenarbeit gefragt war.
Sonntag wird, nach einer ersten Tournee im April, ab 21. Juni weitergespielt, in Dornbirn, im Kleinwalsertal, in Urnäsch und in Bludenz.
In der wirbligen Inszenierung von Danielle Fend-Strahm genügen wenige bescheidene Requisiten. Stühle, Tisch, Kissen, ein Kleiderständer und ein paar Playmobil-Figürchen verwandeln sich in immer neue und zunehmend monströsere Kulissen der Arbeitswelt, bis hin zum Windrad, das sich einer in tausenden Stunden Freizeit selber gebaut hat und das in einem halsbrecherischen Sturm am Ende zusammenbricht wie der Traum von einem erfüllenden und selbstbestimmten Arbeitsleben.
Das Stück, verfasst von Schauspieler Tobias Fend, zeigt mit Sprachwitz und Sarkasmus die Schattenseiten einer irrgewordenen Leistungsgesellschaft auf, in der Arbeit ebenso zum Alptraum wird wie die arbeitsfreie Zwangsruhe. Am Ende gibt es jedoch einen Lichtblick – die Hände der vier Spieler:innen werden zum lebendigen Instrument, fangen an, gemeinsam statt allein zu handeln und zu werken. Und merken: This is Sunday.