, 28. Mai 2014
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Aus der Meerestiefe gen Vulkaneshöhe

Unter den Perlen gelten jene in schwarzer Farbe als besonders kostbar. Genau so müsste die Winterthurer Formation «Death Of A Cheerleader» nach ihrem Debüt «Dancing Around The Fire Of Volcano» angesehen werden, findet Stoph Ruckli. 

Wir leben heute in einer Umgebung, die sich grösstenteils durch viel Masslosigkeit und wenig Musse auszeichnet. Präzision ist ein nationales Gut, Reichtum das globale Ziel. Dieses Bild lässt sich unter anderem auf das Musikbusiness übertragen: Künstler veröffentlichen weniger Alben, dafür umso häufiger einzelne Songs. Kein Wunder, immer knappere Hörfenster einerseits und ein riesiger, vielfältiger Zugang zu Musik andererseits sorgen dafür, dass sich kaum mehr jemand durch eine vollständige Tracklist würgen mag.

Omar Fra, Mastermind der Band Death Of A Cheerleader sowie Musikredakteur bei Radio Stadtfilter in Winterthur, schien sich dieser Tatsache – vielleicht unbewusst – bewusst gewesen zu sein und schuf mit seinen Mitmusikern ein Werk, das sich mit seiner Qualität aus dieser Ära der Gegensätze hervorhebt: Dancing Around The Fire Of Volcano will immer und immer wieder gehört werden. Und das in voller Länge.

Licht und Dunkelheit

Das hat mehrere Gründe. Da wäre zuerst einmal die textliche Komponente. Sie thematisiert Elemente der griechischen und römischen Mythologie rund um die Prometheus-Saga.  Songschreiber Fra übertrug jedoch diese Saga ins Zeitgenössische: Die Menschen nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand, getrieben durch den Wunsch nach Selbstbestimmung, und entreissen dem Schmiedegott Vulcanus das Feuer. Diese Thematik lässt sich ohne weiteres auf gesellschaftliche Ereignisse projizieren. Im Fokus steht dabei der Wunsch nach Wärme und Licht, kurz: nach Liebe.

Der Pfad dorthin führt jedoch über kalte Wut – Gegensätze, welche die Entstehungsgeschichte der Songs erzählen. Diese entstanden grösstenteils in Schweden und der Türkei. Das sanfte Licht und das kühle Meer im Norden versus die kraftvolle Energie und heisse Atmosphäre im Süden dienten als markante Prägung und unterstützen den Kontrast. Daran knüpft auch die musikalische Komponente der Band Death Of A Cheerleader an.

Zart und Stark

Produziert in Stockholm von Cult of Luna-Drummer Magnus Lindberg, offenbart das Klangbild eine helle und klare Stimmung. Gerade in den fetteren Parts kommen dann aber auch der knurrige Bass und dichten Synthesizerfelder wunderbar zum Vorzug. Besonders angenehm wirkt, dass jedes Instrument seinen Platz gefunden hat und nichts untergeht, wenngleich die rhythmischen Gitarrenklänge in höheren Lagen stellenweise ein wenig treblelastig klingen. Die Songs sind zwar tendenziell im Indiebereich anzusiedeln, packen jedoch passend zum düsteren Bild Doom und viel Post-Rock-Epos (Kerberos) mit ein. Wütende, krachende Songs (Stream of Control) wechseln sich mit feinen, vorsichtigen Stücken (I Call My Enemies) ab: In der Summe sehr stimmungsvoll. Toll!

Hervorzuheben ist besonders das Gesangsorgan von Omar Fra. Mal sanft, zerbrechlich oder verzweifelt, dann wieder kraftvoll und durchsetzungsstark: Optisch bereits an Zappa angelehnt, gehört der Frontmann von Death Of A Cheerleader auch gesanglich in die obere Liga der hiesigen Sänger. Dieser Mann lebt Musik. Besonders imposant wirkt die Dringlichkeit von ihm und seinen Mitmusikern übrigens live. Gelegentlich mag der Verdacht von Pathos aufflackern. Aber immerhin werden hier Geschichten mit Extremen sowie Leidenschaft erzählt und gespielt, so, dass diese Empfindung direkt verlangt wird!

Aus der Tiefe in die Höhe

Death Of A Cheerleader schaffen sich dank diesem gelungenen Album mit kraftvollen und epischen  Songs den Weg aus der kalten Tiefe nach oben gen Wärme und Licht. Die Kritikerinnen und Kritiker sind sich zu grossen Teilen einig, dass der Fünfer ein abwechslungsreiches Werk geschaffen hat, das zum mehrmaligen Durchhören einlädt.

Spannende Kontraste sorgen im Rahmen intelligenter Kompositionen für ein mehr als zufriedenstellendes Stück Musik, welches hoffentlich seinen Weg ausserhalb lokaler Grenzen findet. Zu wünschen wäre es der Schweizer Musikszene. Im Band-Meer unzähliger «gewöhnlicher» Perlen für den Massenverbrauch gefällt diese schwarze Exponentin ganz besonders. Passenderweise zum dunklen, edlen Klang treten auch die Bandmitglieder mehrheitlich in schwarzer Kleidung auf. Dementsprechend einfach sollten sie beim Live-Auftritt zu erkennen sein.

Weitere Infos: Death Of a Cheerleader

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