, 2. März 2016
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Borderliner, Fürstentümler und Alkoholiker

Charles Pfahlbauer jr. mit einem Potpourri der feucht-fröhlichsen Polizeimeldungen zur fünften Jahreszeit.

Verletzt wurde niemand.

Wir sind alles wacklige Borderliner. Das sagte unser Interimsvorsitzender Sumpfbiber an unserem pflichtschuldigst gut besuchten Winterpfahlgenossentreffen in der Steinbruchhütte. Klar, liegt auf der Hand, in dieser Ostrandzone, so scharf an den see- und fluss- wässrigen Grenzen zum Europaraum. Dann aber setzte der alte sumpfbibrige Diepoldsauer zu einem langen Vortrag über Grenzspinner an, die speziell im Rheintal wie und eh ihr Unwesen trieben, allen herausgepützelten Fassaden des Chancentals zum Trotz. In seiner Erzählung kamen die sympathischeren Typen wie der legendäre Leichenwagenrino, der so gern die Zöllner foppte, ebenso vor wie einige jämmerliche Gestalten der Gegenwart, deren Nennung und Auflistung ihrer Schandtaten hier unweigerlich zu jeder Menge Verleumdungsklagen führen würde.

Seis drum. Man ist, bei allem tollwütigen Grenzverkehr, ja manchmal gottenfroh um den breiten Rhein, und dass er derzeit üppig Wasser führt; das Hintersäntisland und Vorarlberg birgt beiderflussseits einen unberechenbaren Menschenschlag. Und dann fragt man sich, was der Grenzschutz eigentlich so tut und wozu er nützt, wenn man eines Februartags mit dem neuen Franzosenkarren die Zürcherstrasse im Gallenlachenquartier hinuntergondelt und vor einem ein schwarzer FL-Ford mit seiner Heckinschrift wedelt, in diesen pseudogotischen Buchstaben: «Für Gott, Fürst und Vaterland». Hä? Ich musste das augenreibend dreimal lesen, ich konnte auch, weil wir dreimal am Zebrastreifen stoppten: «Für Gott, Fürst und Vaterland». Kein dummer Witz, sondern allem Anschein nach der volle Ernst. Ein Fürstentümlernazi, herrgottzack! Respektive sass am Steuer ein weibliches Exemplar. Was es nicht besser macht. Es gibt offenbar auch unter Nazis nichts, was es nicht gibt. FL-Nazeuse, also so was.
Gefahr, Gefahr im Februar! Man muss in unseren Ostrandzonen-Borderliner-Kreisen sehr auf der Hut sein, ernsthaft jetzt. Zum Beweis an dieser Stelle einige sehr beunruhigende, komplett wahre Polizeimeldungen:

5. Februar, ein Freitag. Die Vorarlberger Landespolizei meldet den Fund eines Kriegsrelikts in Bregenz: Im Dachboden eines Hauses, versteckt im Zwischenboden, findet ein Abrissarbeiter eine Stielhandgranate aus dem Zweiten Weltkrieg. Die noch funktionstüchtige Granate kann, wie es heisst, zwar geborgen und fachgerecht entsorgt werden. Doch die Information, wonach die Waffe «handhabungssicher abgelegt war», erlaubt böse Spekulationen: «Die Schraubkappe am Stiel war angeschraubt und unbeschädigt.»

Gleichtags meldet ebenfalls die Vorarlberger Polizei einen Alkoholanschlag: «Heute um 07.13 Uhr wurde auf dem Gelände einer Firma in Wolfurt ein Sattelanhänger mit zwei Containern beladen. Inhalt: hoch konzentrierter Alkohol, jeweils 600 Liter. Bei der Beladung wurde einer dieser Container beschädigt, worauf 400 bis 500 Liter Alkohol ausflossen. Der LKW-Fahrer stellte den Sattelanhänger zu einer Laderampe, wo der Alkohol in einen Ölabscheider rinnen konnte. Der Vorplatz wurde durch die Betriebsfeuerwehr gereinigt und der verbleibende Alkohol in einen anderen Container umgepumpt.» Verletzt worden sei niemand. Aber wer hat den Rest getrunken?

6. Februar, ein Samstag. In Weesen, unweit von Quarten am Walensee, wo ein Liechtensteiner Treuhänder Gelder des mexikanischen Drogenbosses El Chapo gewaschen haben soll, hat sich des Nachts Ungeheuerliches abgespielt. Unter dem Titel «Im falschen Haus, Dorf und Kanton gestrandet» meldet die Kantonspolizei St.Gallen: Die Bewohnerin eines Mehrfamilienhauses an der Hauptstrasse habe die Notrufzentrale alarmiert, nachdem sie im Haus einen ihr nicht bekannten Mann bemerkte. Die Polizisten finden um 02:47 Uhr in der Liegenschaft einen 26-jährigen Fasnächtler. Dieser habe stockhagelvoll seine Begleiter verloren. «Auf seiner Suche nach seinem Zuhause begab er sich zu einem Wohnhaus und klingelte dort so lange, bis er eingelassen wurde. Dabei bemerkte der Mann nicht, dass er sich nicht nur im falschen Haus, sondern auch im falschen Dorf des falschen Kantons befand.» Der Mann sei dann mit dem Taxi auf den richtigen Nachhauseweg gebracht worden, heisst es. Natürlich bleiben auch hier Fragen über Fragen.

9. Februar, ein Dienstag. Die St.Galler Polizei kontrolliert auf der Autobahn A13 in Mols um 3:30 Uhr, wieder in schwärzester Nacht, ein Auto. Das steht mit laufendem Motor auf der Fahrbahn (nicht auf dem Pannenstreifen). Drinnen ein 31-jähriger Autofahrer, angegurtet auf dem Fahrersitz, im Tiefschlaf. 1,4 Promille. Geht ja noch, denken Sie jetzt, aber sehr unheimlich ist eine mögliche Verbindung ins Bündnerland: Dort findet die Grenzpolizei gleichen Tags 150 Liter Alkohol, versteckt im Auto von vier Ungarn mit französischem Kennzeichen – alles Spirituosen, Wodka, Whisky, Strohrum, geschmuggelt in der Mulde des Reserverads und unterm Rücksitz.

In den nächsten Tagen sollten die Polizeimeldungen betrunkener Fahrer und sonstiger Alkoholvorfälle merklich zunehmen. Und es sieht ganz danach aus, dass es um viel mehr geht als nur um fasnächtlichen Blödsinn. Oder wie erklären Sie sich, verängstigte Leserin, zittriger Leser, folgende alarmierende Meldung tags darauf aus der Gallenstadt: In einer Wohnung im Museums- quartier hat einer ein Lagerfeuer gemacht. Zwar ruft er der Stadtpolizei aus dem Fenster zu, er habe nur sein Cheminée angezündet. Doch die Polizisten bemerken, dass der Mann tatsächlich auf seinem Fussboden ein Feuer gemacht hat. Weil die Sicherungen defekt seien und er keinen Strom habe, erklärt er, wolle er ein wenig Licht und Wärme erhalten. Jessssus!

Was das alles bedeuten mag? Ich will es mir nicht ausdenken. Aber es ist eher nichts Gutes. Fragen Sie Sumpfbiber, mit seiner blühenden Spinnerfantasie! Ich bin jedenfalls längst über der Grenze, ostseewärts verduftet.

 

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