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Bruder Klaus, neu besichtigt
Historische Stoffe haben eine offenbar ungebrochene Anziehung für Theatermacher. Das überzeugt vor allem dann, wenn das Gestern sich vor dem Heute behaupten muss. Diesen Anspruch hat auch das Musiktheater «Ranft-Ruf», dessen Schweizer Tournee dieses Wochenende in St.Gallen endet.
Zwei Schauspielerinnen und zwei Schauspieler, ein Cellist und ein Vokalquartett bringen das Stück in der Inszenierung von Simon Jenny auf die Bühne. Es beginnt mit dem Sterben des Bruder Klaus und endet an seinem Grab. Dazwischen spielt sich die Begegnung und Konfrontation von heutigen Zeitgenossen mit den historischen Figuren von Dorothea und Niklaus von Flüe ab. Eine junge Journalistin stellt kritische Fragen, ein Historiker forscht nach der geschichtlichen Wahrheit, und im Zentrum: das Ringen um den eigenen und doch gemeinsamen Weg von Dorothea und Niklaus von Flüe. Das Musiktheater Ranft-Ruf fragt gemäss Ankündigung nach der Aufgabe als Mensch und als Bürgerin oder Bürger dieser Welt.
18. November, 17.30 Uhr, Kirche St.Mangen St.Gallen
Simon Jenny, der Autor und Komponist, hat das Stück 2017 geschaffen; der Auftrag kam vom Kloster Kappel aus Anlass des Gedenkjahrs 600 Jahre Niklaus von Flüe. Jenny war als Hornist tätig, bevor er Theologie studierte und als Pfarrer die Huttwiler Kirchenspiele schuf und leitete. Dorothée Reize spielt Dorothee, Markus Amrein den Bruder Klaus, Sylvia Garatti und Luc Müller sind die Personen von heute.
Niklaus von Flüe (1417-1487) – um die Person des Einsiedlers ranken sich bis heute vielfältige Legenden, Idealisierungen, aber auch Kontroversen. Dass er mit fünfzig Jahren seine Familie, Frau und zehn Kinder verliess und sich in seiner Einsiedelei einem Leben im Gebet zuwandte, wird ihm von kritischen Köpfen übelgenommen. Sein Wirken als Berater und Vermittler zeigt andrerseits, dass es Bruder Klaus nicht um Weltflucht ging, sondern um einen konsequenten spirituellen Weg in der Welt.
«Wesentliche Änderungen beginnen oft an den Rändern. Niklaus von Flüe wäre heute ein Randständiger. Am Rand hat er zur Mitte gefunden. Und eine stille Kraft entfaltet, die weiterwirkt, über sechs Jahrhunderte bis in die Gegenwart», sagt der Berner Autor Lorenz Marti zur Aktualität des Einsiedlers von Flüeli-Ranft. Wie es um diese Aktualität und die bis heute provozierende Position des Heiligen tatsächlich steht, davon kann man sich beim Gastspiel in der St.Galler Mangenkirche selber ein Bild machen.
Dieser Beitrag erschien im Novemberheft von Saiten.