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Brunner tritt zurück – der Wahlkampf beginnt
FDP-Stadtrat Fredy Brunner gibt seinen Rücktritt auf März 2015 bekannt. Die Ersatzwahl ist bereits am 30. November.

Er ist der Stadtrat mit den grossen Projekten: Glasfasernetz, Geothermie.
Beides sind Vorhaben, bei denen der Staat eine aktive Rolle spielt, bei denen viel Geld in die Hand genommen wurde – und bei denen das Risiko des Scheiterns dazugehört.
Die Vorlagen wurden an der Urne jeweils mit klaren Mehrheiten gutgeheissen.
Die Abstimmungen zeigten, dass es in der Stadt St.Gallen eine nicht unbeträchtliche Sehnsucht nach einem grossen Wurf geben muss. Eine Mehrheit scheint genug zu haben von der üblichen Schmörzeligkeit, mit der es höchstens zu Provisorien reicht. Und nicht immer sollte die Stadt nur bei der Repression eine Vorreiterrolle spielen.
Fredy Brunner hatte die Projekte dafür und die nötige Popularität, um über alle Parteigrenzen hinaus Mehrheiten zu gewinnen.
So kam es, dass die Stadt St.Gallen für einmal die Pionierin spielte. Gleichzeitig wurde beim Kanton ein Abbaupaket nach dem anderen geschnürt und die Investitionen mussten rigoros zurückgefahren werden.
Inzwischen ist klar, dass die Ziele der Geothermie nicht erreicht werden können. Ob sich die Investitionen in das Glasfasernetz lohnen, wird sich erst in einigen Jahren zeigen. Die Opposition trug diese Projekte mit. Das Ende der Geothermie wurde politisch nicht ausgeschlachtet – sondern nur bedauert. Dies war nicht bei allen Vorhaben von Brunner so: Die von ihm vorangetriebene Ausgliederung der VBSG wurde an der Urne versenkt.
Brunner ist ein untypischer Politiker aus einer Partei, die immer mehr ins Fahrwasser der SVP geraten ist. Er hat eine eigene Linie, eigene Ansichten und gehört damit zu den wenigen Vertreter eines Schlages, den es fast nicht mehr gibt: Unideologische bürgerliche Politiker, die etwas anpacken wollen, ob sie damit auf der Parteilinie liegen oder nicht. Die FDP sei nicht unbedingt ein Erfolgsmodell, sagte Brunner an der Medienorientierung, «vor allem national nicht». Er habe sich aber in der Partei zu Hause gefühlt: «Vom Umweltflügel bis zum liberalen Gedankengut».
Zwei Amtsdauern habe er eigentlich im Stadtrat bleiben wollen. Nun werden es fast drei. Der Rücktritt des 66jährigen Politikers erfolgt auf Ende März 2015. Die regulären Erneuerungswahlen wären im Herbst 2016.
Mit der Ankündigung des Rücktritts beginnt das Rennen um die Nachfolge. Die Ausgangslage ist interessant: Spielt eine Koalition des Bürgerblocks, wird es für Linksgrün schwierig, den Sitz zu erobern. Die aktuelle Situation mit einem bürgerlich zusammengesetzten Stadtrat könnte bei einer weiteren Wahlniederlage auch zementiert werden.
Im 63köpfigen Stadtparlament ist die Sitzverteilung folgendermassen:
SP/Juso/PFG: 19 Sitze, CVP/EVP/BDP: 15 Sitze, FDP: 10 Sitze, Grüne/Junge Grüne/Grünliberale: 10 Sitze, SVP: 9 Sitze.
Die Verteilung im fünfköpfigen Stadtrat: Zweimal FDP, zweimal CVP, ein Parteiloser. Alles Männer (ausser Frau Adam).
Das heisst: Linksgrün verfügt über 29 Sitze im Stadtparlament und liegt damit bloss mit drei Sitzen unter der rechnerischen Mehrheit – ist aber im Stadtrat nicht vertreten.
Die FDP mit zehn Sitzen stellt hingegen zwei Stadträte.
Ob sich dieses Missverhältnis ändern wird, zeigt sich am 30. November. Dann findet der erste Wahlgang für die Ersatzwahl statt.