keine Kommentare
Das Wort hat Eurydike
Das Luzerner Theater spielt als Schweizer Erstaufführung Elfriede Jelineks «Schatten (Eurydike sagt)». Live dabei: die St.Galler Zeichnerin Lika Nüssli. Premiere war am Fumetto Festival. von Silvano Frei

Bilder: Ingo Höhn
Mannigfach ist das Heldenepos um Orpheus und seine auf Gedeih und Verderb herzgeliebte Gemahlin Eurydike schon behandelt worden. Beschränkten sich die Deutungen des Mythos bisher auf die Kompositionen und die Position des Sängers, nimmt Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek einen Perspektivenwechsel vor: Sie macht Eurydike, Nymphe und Liebesobjekt des Orpheus, zum Subjekt. Aus einem in der ursprünglichen Erzählung aufopfernden Liebhaber, der seine Erwählte aus der ewigen Finsternis des Hades zurückholen will, wird bei Jelinek ein narzisstischer, koketter Patriarch.
Die Zürcher Regisseurin Sophia Bodamer inszeniert als Schweizer Erstaufführung Jelineks Text «Schatten (Eurydike sagt)» in der Box des Theaters auf dem Theaterplatz, die Ausstattung besorgt Prisca Baumann. Bodamer hat in St.Gallen in der Lokremise «Das Schweigen der Schweiz» inszeniert, mit welchem sie 2017 zum Schweizer Theatertreffen eingeladen wurde.
Die Leiden der Evastochter
»Ruhe bitte! Sänger, halt endlich die Fresse! Du bist hier falsch! Du fröhlicher Ungenierter! Du Schreibaby! Du störst uns!«
Jelineks Sprache ist häufig ordinär statt weihevoll, was die irdischen Leiden der Eurydike, die Diskreditierung ihres Frausein und die Inbesitznahme durch den Gatten treffend zum Ausdruck bringt. Kein Hauch einer Liebesromanze – vielmehr kritisiert Jelinek die defizitäre Leseart von Weiblichkeit und die Entmachtung der Frau zur instrumentalisierten Akteurin in der Gesellschaft.
Euridyke kommt dabei aber nicht nur gut weg. So wird die Selbstverdinglichung der Frau am Beispiel ihrer Obsession nach neuen Kleidern – unter denen sich das Ich verstecken kann – nachgezeichnet und schneidig kritisiert.
Dreiklang aus Text, Bild und Ton
Sophia Bodamer teilt den Jelinek-typischen Monolog, ein Potpourri von mal alltagsferner, mal pathetischer, mal rauer Sprache, auf ein Schauspielerpaar (Lukas Darnstädt, Verena Lercher) auf. Zudem tritt die Zeichnerin Lika Nüssli live auf der Bühne auf, als dritte Figur und Vervollständigung der Wesenheit der Nymphe.
Ihre Pinselstriche auf das in hölzerne Rahmen gespannte transparente Leinengewebe winden sich ins Geschehen, akzentuieren die Gefühlswelt der Eurydike und lassen das Schattenwesen lebendig werden.
Die Musik von David Jegerlehner, ebenfalls live mit dabei, vervollständigt das multimediale Konzept. Verbales, Visuelles und Auditives schaffen Verflechtungen, die dem Text- und Stückverständnis nicht unbedingt dienlich sind, umgekehrt aber eine Stimmung von Ausschweifung und lustvollen Illusionen schaffen.
Weitere Vorstellungen: 25. April, 3., 5., 8. und 17. Mai 20 Uhr, Einführung im Foyer um 19.30 Uhr.
luzernertheater.ch