, 27. September 2024
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Der Eisbader, das kaputte Reh und der Designerkürbis

Seit fünf Jahren zeichnet Julia Kubik monatlich den Saiten-Comic. Eine Auswahl ist jetzt in ihrer ersten Einzelausstellung «Standortcomics» in der Alten Kaserne in Winterthur zu sehen. Am Samstag ist die Vernissage.

Julia Kubik, fotografiert von Lea Hitz

So manche schlagen Saiten von hinten auf, um die schwarzweissen Comics von Julia Kubik als Erstes zu lesen. Seit fünf Jahren findet sich in jeder Saiten-Ausgabe ganz am Ende eine kurze Bildgeschichte. Im Gegensatz zu den meisten anderen Beiträgen ist diese jedoch keine Reportage, kein Abbild der Wirklichkeit, sondern besticht immer wieder durch absurde Momente und Sichtweisen.

Und doch sind es immer auch kleine Heimatgeschichten. Nicht nur, weil sie in St. Gallen entstehen, wo Kubik seit ihrem 17. Lebensjahr lebt und ihre Ausbildung zur Grafikerin absolvierte, ohne je in diesem Beruf gearbeitet zu haben, sondern auch, weil sie Geschichten aus der Region erzählen. Es sind Begegnungen aus dem hiesigen Umfeld, persönliche Erlebnisse und aktuelle Themen, immer in Mundart erzählt.

Die Moral springt aus den Zeichnungen

«Der Lokalbezug ist nur eine Behauptung», sagt Kubik. Und doch kann man ihn hin und wieder ganz konkret entdecken, etwa bei der investigativen Aufklärung der Hechtbisse im Mannenweiher im vergangenen Sommer. Viele Geschichten sind aber auch allgemeingültig. Durch die Kontinuität des monatlichen Erscheinens ist eine vielfältige Mischung entstanden, die jetzt eine ganze Ausstellung in der Alten Kaserne in Winterthur füllt.

Die Protagonist:innen sind oft aus der Tierwelt, sie alle können sprechen. So haben ihre Comics den Stil der guten alten Fabel, in der ebenfalls Tiere mit menschlichen Zügen dargestellt werden, um eine gewisse Moral zu vermitteln. Die Moral springt auch aus den Zeichnungen. Zum Beispiel in Kabutt, der Geschichte eines angeschossenen Rehs, das von einer Antilope überredet wird, in eine Bar mitzukommen, wo es mit seinem blutenden Herzen für trübe Stimmung sorgt – solche Momente kennen wir wohl alle, oder? Eigentlich fühlt man sich hundeelend und trotzdem lässt man sich überreden, unter Leute zu gehen.

Selten klare Pointen

In der Ausstellung finden wir aber auch den Eisbader, der sich mit pathetischer Überlegenheit gesund friert. Ein Yuppie-Paar, das sich einen lackierten Riesenkürbis und einen schwarzen Stier als extravagantes Design-Equipment gönnt. Die Hatefull-Yoga-Lehrerin, bei der die Stunde garantiert keine Freude macht und die tief in den Schmerz atmet, damit man garantiert bei jeder Bewegung merkt, dass man hier fehl am Platz ist. Das «emotional support Moos», eine Schweizer Variante der amerikanischen Haustiere, die auf Flügen beruhigend wirken sollen.

«Ich finde es schön, wenn sich Realität und Fantasie vermischen: Eigentlich spielt bei mir alles in einer Welt, die so ähnlich aussieht wie die reale, aber es passieren auch immer wieder surreale Dinge», sagt Kubik, die im vergangenen Jahr den Kulturförderpreis der Stadt St. Gallen gewann. Sie ist Mitglied der Minimal-Punkband Hundefutter, co-hostet zusammen mit Matthias Fässler in der St.Galler Grabenhalle die Talkshow Kubik und Fässler und postet Instastories aus den Tiefen der Ostschweizer Provinz. In ihren Standortcomics gibt es selten eine klare Pointe, dafür herrlich tragikomische, offene Enden, Verwirrung und anarchischen Humor.

Für alle, die ihn noch nicht gesehen haben, hier der September-Comic:

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