, 5. März 2012
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Der lauteste Trompeter im Orchester

Aus dem aktuellen Heft. Übrigens: Hier kann es bestellt und verschenkt werden: klick!   Der lauteste Trompeter im Orchester Nach wie vor werden Konrad Hummlers markige Sprüche beklatscht. Sollte im Kanton St.Gallen nach dem Fall der Bank Wegelin tatsächlich eine Wende anstehen, hat sie nur knapp begonnen. von Andreas Kneubühler So schnell kann es gehen, […]

Aus dem aktuellen Heft. Übrigens: Hier kann es bestellt und verschenkt werden: klick!

 

Der lauteste Trompeter im Orchester

Nach wie vor werden Konrad Hummlers markige Sprüche beklatscht. Sollte im Kanton St.Gallen nach dem Fall der Bank Wegelin tatsächlich eine Wende anstehen, hat sie nur knapp begonnen.

von Andreas Kneubühler

So schnell kann es gehen, wenn ein Kartenhaus zusammenstürzt: Am 3. Februar begannen die Wegelin-Banker ihren Arbeitstag als Mitarbeiter einer Privatbank, am Mittag löffelten sie ihre Suppe im bankeigenen Café «Nonolet» bereits als Angestellte von Raiffeisen. Das Sprachrohr der Bank, Konrad Hummler, ist seither abgetaucht. Schon an den Verhandlungen mit Raiffeisen soll er nicht mehr teilgenommen haben.
In Ermangelung von neuem Stoff gab es deshalb immer wieder die gleichen Hummler-Zitate zu lesen. Neben den Werbespots für Schwarzgeld-Konti geht es dabei auch immer wieder um den unfähigen Staat, der möglichst viel dem privaten Sektor überlassen solle: «Ich denke da ans Gesundheits- und Erziehungswesen», schlug er in der «Südostschweiz» vor.
Nur: Was ist eigentlich so besonders, wenn Hummler Steuerhinterziehung als Menschenrecht verkauft und den Staat zu Gunsten der Interessen einiger Reicher abbauen will? Dieser Ansicht sind weite Kreise, die man wahlweise als rechts-national, ultra-liberal oder libertär kategorisieren kann. Hummler blies in diesem Orchester vielleicht die lauteste Trompete, das Problem ist aber eher, wer alles zur Musik tanzt. Deshalb stellt sich auch die Frage, ob der Fall der Privatbank bloss ein Betriebsunfall war – oder das Zeichen für eine Wende?

Wegelin ist überall
Die fehlende Moral, die Gier, all die Schlaumeiereien – die letztlich zum Ende von Wegelin führten – gehören längst zum Mainstream. Gerade im Kanton St.Gallen, wo seit vier Jahren eine Mehrheit aus SVP und FDP regiert; ganz im Sinn von Hummler und Co. Das Forschungsinstitut BAK Basel beschrieb St.Gallen kürzlich als «einen wirtschaftlich eher schwächeren Kanton», der praktisch keine Verschuldung ausweist, bisher «eher sparsam» war, in dem aber Steuersenkungen durchgesetzt wurden, die «ans Limit des Machbaren» gingen und jährliche Einnahmeausfälle von 200 Millionen Franken verursachten. Welche Bereiche unter dem nächsten Sparpaket (200 Millionen!) leiden müssen, ist klar. Nochmals das Hummler-Zitat: «Ich denke da ans Gesundheits- und Erziehungswesen».
Wie sehr sich diese ideologisch geprägte Bevorteilung der Reichen und der Unternehmen zuungunsten der steuerzahlenden Mehrheit inzwischen auf das Unrechtsbewusstsein auswirkt, zeigt die fehlende Empörung über die Geschäftspolitik der St.Galler Kantonalbank (SGKB). Über deren Tochter Hyposwiss kursieren interessante Geschichten – allerdings alle unbewiesen. Es geht darin um Schwarzgeld und Geldwäscherei: Die L’Oréal-Erbin Liliane Bettencourt soll dort einen Teil ihrer rund hundert Millionen Euro Schwarzgeld versteckt haben. Der argentinische Fifa-Vizepräsident Juan Grondona soll ebenfalls Geld auf einem Hyposwiss-Konto zum Verschwinden gebracht haben. In einem Weblog wurden sogar Kontounterlagen präsentiert. Eine Nummer grösser ist der Streit zwischen den russischen Oligarchen Oleg Deripaska und Vladimir Potanin. Deripaska beschuldigte Potanin über die Hyposwiss und deren zwischenzeitlichen Verwaltungsrat Hans Bodmer Geld gewaschen zu haben.

Willkommen ist, wer Geld mitbringt
Die SGKB hätte all diese Vorwürfe ein für allemal aus der Welt schaffen können, indem sie ihrer Tochter eine strikte Weissgeldstrategie verordnet hätte, so wie es Raiffeisen-CEO Pierin Vincenz für die Bank Notenstein zumindest angekündigt hat. Dies hätte als SGKB-Hauptaktionärin auch die St.Galler Regierung fordern können. Nichts davon: Die Kantonalbank gab lediglich ein Gutachten in Auftrag, und zwar bei der Revisionsgesellschaft, die auch sonst für sie tätig ist. Nicht wegzuwaschen war hingegen, dass die Hyposwiss im Juni 2011 den Anwalt Hans Bodmer in den Verwaltungsrat geholt hatte. Dagegen hätte vieles gesprochen. Beispielsweise, dass Bodmer in den USA wegen Geldwäscherei angeklagt war und sich dessen 2006 schuldig bekannt hatte.
Es gibt andere Beispiele, die in die gleiche Kategorie einer ideologisch geprägten Politik ohne Moral fallen. So verkündete die Standortförderung letzten Dezember mit viel Trara die Ansiedlung eines Unternehmens namens Transoilgroup. Die Firma ist in Weissrussland und Albanien im Ölgeschäft tätig. In einem Artikel der «Basler Zeitung» wurden Berichte zitiert, nach denen es rund um ein der Transoil gehörendes Ölfeld in Albanien Vorwürfe wegen Steuerhinterziehung und Umweltverschmutzung gegeben habe. Einem der Verwaltungsräte sei in Kanada vorgeworfen worden, einen Millionen-Schuldenberg hinterlassen zu haben. Das angekündigte Verfahren zur Energiegewinnung wird im Artikel von einem ETH-Experten als «suspekt» bezeichnet.
Um zu einem Ende zu kommen: Die Tochter der St.Galler Kantonalbank wählt einen Ver- waltungsrat, der sich der Geldwäscherei schuldig bekannt hat, aber halt einen russischen Kunden mit ein paar hundert Millionen mitbringt. Es wird eine Firma angesiedelt, bei der nur schon nach einer kurzen Internetrecherche die Alarmglocken läuten müssten. Das Fazit muss deshalb pessimistisch ausfallen. Sollte der Fall der Bank Wegelin eine Wende einläuten, steht man damit noch ganz am Anfang. Am 11. März sind übrigens Kantonsratswahlen.

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