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Der Maler des Agglo-Blues
Ein Gastbeitrag von Christina Genova. Nein, Willi Oertig ist kein brotloser Künstler. Stolz sagt er: «Ich lebe gut von meinen Bildern.» Seit er Anfang der siebziger Jahre zu malen begonnen hat, verkaufte er um die tausend Werke. Doch woher kommt dieser Erfolg? «Ich bin ein Verkaufsgenie», lautet Willi Oertigs ganz und gar unbescheidene Antwort. Seit […]

Güterschuppen, Kradolf, 2012, Öl auf Leinwand, 60 x 80 cm, Privatbesitz
Ein Gastbeitrag von Christina Genova.
Nein, Willi Oertig ist kein brotloser Künstler. Stolz sagt er: «Ich lebe gut von meinen Bildern.» Seit er Anfang der siebziger Jahre zu malen begonnen hat, verkaufte er um die tausend Werke. Doch woher kommt dieser Erfolg? «Ich bin ein Verkaufsgenie», lautet Willi Oertigs ganz und gar unbescheidene Antwort. Seit 1994 lebt und arbeitet er im thurgauischen Kradolf. Wahr ist, dass er unermüdlich die Werbetrommel in eigener Sache rührt, Einladungen zu seinen Ausstellungen verschickt, Leute ohne Scheu persönlich anspricht. Doch das ist nicht das Geheimnis Willi Oertigs.
Sind es vielleicht die Motive, die er für seine Bilder wählt? Der Künstler malt Landschaften, selten ein Stilleben oder ein Interieur. Es sind keine gefälligen Idyllen, die er auf die Leinwand bringt, sondern die hässlichen Seiten der Ostschweiz – den Schiessstand Bernrain, einen Fabrikturm bei Kradolf, Stromleitungen, die Aral-Tankstelle bei Erlen und immer wieder Bahnhöfe. Doch bei Willi Oertig leuchten diese Unorte von innen heraus. Orte an denen man sonst achtlos vorbeigeht, bekommen eine eigene Schönheit. Willi Oertigs Geheimnis ist, dass er es versteht, eine Saite in uns Provinzlern zum Klingen zu bringen. Er findet Bilder für das Gefühl der Melancholie und Verlorenheit, den Blues, der uns packt, wenn wir in der Dämmerung alleine auf den Zug warten, Abends an die verlassene Tankstelle fahren oder bei klirrender Kälte am Ufer der Thur spazieren gehen. Das geschieht nicht mit Bedacht oder mit Schielen auf Trends, sondern Willi Oertig malt das, was er malen muss. Er kann nicht anders, denn die Traurigkeit seiner Landschaften sitzt tief in ihm drin. Im Thurgauer Kunstmuseum hat man noch bis am 1. April Gelegenheit, der Faszination seiner Bilder zu ergründen.
«Willi Oertig. Wenn ich etwas bin, dann bin ich ein Indianer»
Kunstmuseum Thurgau
Zur Ausstellung ist beim Benteli-Verlag eine empfehlenswerte Publikation erschienen.