keine Kommentare
Der Trainer im Scheinwerferlicht
Am Eröffnungstag der 6. Fussballlichtspiele St.Gallen standen Trainer im Fokus. In einer Diskussion wurde darüber diskutiert, warum das Interesse an Trainern so gross ist, welche Rollen sie haben und wie man sie überhaupt beurteilen kann.

Mämä Sykora, Michele Cirigliano, Jan Tilman Schwab und Peter Zeidler (von links) bei der Diskussion im Figurentheater St.Gallen. (Bild: pd)
Mit Vierjahresrhythmen kennen sich Fussballfans ja aus. So lange beträgt jeweils die Pause zwischen WM- und EM-Endrunden. Unfreiwillig war diese lange Pause jedoch bei den Fussballlichtspielen St.Gallen: Erst grätschte Corona dazwischen, ehe sie im vergangenen Jahr mangels eines passenden Veranstaltungsorts ausfielen. Doch nun ist es endlich wieder so weit: Am Donnerstag ist im Figurentheater die sechste Ausgabe des Fussballfilmfestivals erfolgreich gestartet.
Fussballlichtspiele St.Gallen:
7. bis 9. September, Figurentheater St.Gallen
Zum Auftakt gab es zwei Filme, die grossen Trainern im britischen Fussball gewidmet waren: Zuerst The Three Kings über Matt Busby (Manchester United), John «Jock» Stein (Celtic Glasgow) und Bill Shankly (Liverpool FC), die allesamt mehr als ein Jahrzehnt die jeweiligen Klubs betreuten und somit den Grundstein legten für deren Aufstieg zu den populärsten Vereinen der Welt. Und danach Arsène Wenger: Invincible, der die 22-jährige Ära des Franzosen beim Arsenal FC und dabei insbesondere die Zeit um die Jahrtausendwende beleuchtet, vor allem die Saison 2003/04, die die Gunners ohne Niederlage beendeten (als erst zweites Team in der höchsten Spielklasse nach Preston North End in der Premierensaison 1889).
Doch warum ist das Interesse an den Trainern so gross, wo doch die Spieler diejenigen sind, die auf dem Platz gewinnen müssen? Und warum bietet sich Fussball überhaupt als Thema für Filme an? Diese und andere Fragen erörterte Mämä Sykora, Chefredaktor des Fussballmagazins «Zwölf», zwischen den beiden Filmen in einer so interessanten wie unterhaltsamen Diskussion mit Filmwissenschaftler Jan Tilman Schwab, Filmemacher Michele Cirigliano und FCSG-Cheftrainer Peter Zeidler.
Die wichtigste Figur im Klub
Der Trainer stehe «auch für andere Dinge», sagte Zeidler. Und meinte damit: Der Trainer ist in aller Regel auch das Gesicht eines Klubs. Und er sei nur schon deshalb im Zentrum des Interesses, weil sowohl im Erfolg als auch im Misserfolg Red und Antwort stehen müsse. Die Rolle des Trainers sei dabei «sehr komplex», weil er trotz – oder gerade wegen – der Aufgabenverteilung im Staff die Verantwortung für das Geschehen auf dem Rasen trage, sagte Cirigliano. Entsprechend stehe er im Fokus der Vereinsführung, der Fans, aber auch der Mannschaft. Oder wie es Schwab sagte: Der Trainerposten sei «nominell der wichtigste im Klub». An ihm hänge Erfolg und Misserfolg. Im Erfolg stehe jedoch selten der Trainer im Rampenlicht, sondern die Spieler. Im Misserfolg hingegen werde – auch weil es einfacher sei – der Trainer entlassen, nicht die halbe Mannschaft. Deshalb sei es eine «sehr undankbare Position».
Zeidler relativierte: Das Wichtigste in einem Klub sei die Mannschaft – und der Trainer sei ein Teil davon. Das «Wir» gelte bei einem Sieg ebenso wie bei einer Niederlage. Zeidler zitierte Arsène Wenger, der einst gesagt hatte, der Trainerstab sei nur zu 30 Prozent verantwortlich für den Erfolg, die restlichen 70 Prozent entscheide sich abseits des Platzes, insbesondere durch die Zusammenstellung der Mannschaft. Aus seiner Sicht seien die wichtigsten Aufgaben des Trainers, eine Partie gut vorzubereiten, gut zu coachen im Training und im Spiel – «und Schubert einwechseln», in Anspielung auf die beiden wichtigen Jokertore des Österreichers in den vergangenen beiden FCSG-Spielen. Zudem: «Mit Spielern reden.» Kommunikation sei in jedem Unternehmen, wo man eine Chefrolle habe, unabdingbar.
Der Trainer ist aber auch als Vaterfigur wichtig. Er habe alle seine Spieler gleich gern, betonte Peter Zeidler. Tilman Schwab ergänzte, das sei wie bei einem Vater, der alle seine Kinder gleich fest liebe, «sonst ist er ein Scheissvater». Klar gebe es talentiertere Kinder und Problemkinder, die man auch mal bestrafen müsse, das spiele letztlich aber keine Rolle. Dieser Vergleich hinke ein bisschen, warf Moderator Sykora ein: «Ein Vater verkauft nicht nach einem Jahr zwei seiner Söhne.»
Die Aura des Geheimnisvollen
Die Faszination rund um Trainer komme wohl auch daher, dass sie etwas Geheimnisvolles umwehe, hielt Sykora fest. Während man Spieler anhand ihrer Leistung auf dem Platz beurteilen könne, sei der Einfluss des Trainers aufs Spiel viel schwieriger zu erfassen. Ausser Spielerwechseln, taktischen Umstellungen und allfälligem Dirigieren der Mannschaft von der Seitenlinie aus bekommen die Zuschauer:innen kaum mit, welchen Anteil an Sieg oder Niederlage ein Trainer hat.
Auch die Halbzeitansprache in der Kabine, über deren Wichtigkeit für den Ausgang einer Partie seit jeher kontrovers diskutiert wird, fällt in diese Kategorie. Es sei erstaunlich, wie ähnlich viele Pausenansprachen von Trainern seien, egal ob bei einem Weltmeisterteam oder bei einem Amateurklub, sagte Sykora.
Cirigliano, dessen Doku Football Inside sich auf das Leben in der Garderobe von vier Teams fokussiert, stimmte dem zu. Er glaube nicht, dass man dank einer Ansprache des Trainers ein Spiel gewinne, meinte er. Entscheidend sei «das Davor», also die ganze Vorbereitung auf ein Spiel und wie fest man die Spieler von seiner Idee überzeugen könne. Dabei spiele auch Vertrauen ins Team eine grosse Rolle. Schade war, dass Sykora diese Frage nicht auch an Zeidler stellte.
Schwierige Beurteilung
Einig war sich die Runde, dass es unglaublich schwierig ist zu bewerten, ob ein Trainer gut oder schlecht ist. Zeidler zitierte die alte Fussballweisheit, wonach es keine guten oder schlechten Trainer gibt, sondern erfolgreiche und erfolglose. Doch auch hier ist die entscheidende und kaum zu beantwortende Frage, was man als Erfolg definiert. Ein wesentlicher Faktor dabei ist, um welche Mannschaft es sich handelt. Ist Ottmar Hitzfeld nun ein guter Trainer, wenn er mit den FC Bayern die Champions League gewinnt, oder ist er ein schlechter Trainer, wenn er mit der Schweizer Nati die Qualifikation für die EM-Endrunde verpasst? Man vergisst manchmal – und gerade nach Niederlagen in grossen Spielen – allzu schnell: Scheitern gehört nun mal zum Sport.
Das weiss natürlich auch Peter Zeidler, der mit dem FCSG zwei Cupfinals in Folge verloren hat. Seinen «Erfolg» nur daran zu messen, wäre vermessen. Und er ist ohnehin daran, eine Ära beim FC St.Gallen zu prägen und Geschichte zu schreiben: Seit fünf Jahren und zwei Monaten steht er inzwischen an der Seitenlinie der Espen. Damit ist der 61-Jährige der zweit-dienstälteste Trainer seit 1912 und vermutlich auch in der 144-jährigen Geschichte des Klubs. Nur Willy Sommer war länger im Amt (1975 bis 1981). Die Wahrscheinlichkeit, dass Zeidler im kommenden Sommer zum längsten FCSG-Trainer aller Zeiten wird, ist jedenfalls gross.
Und auf die Frage, warum sich das Thema Fussball für Verfilmungen eignet, lieferte Jan Tilman Schwab die beste Antwort: Wenn man wie er seit der Kindheit dem Fussball verfallen sei, «ist jeder Fussballfilm, so schlecht er auch sein mag, besser als jeder andere schlechte Film».
Bis am Samstag geht es noch weiter mit Filmen und Gesprächen im Figurentheater. Mehr zum Programm auf fussballlichtspiele.ch – und hier der diesjährige Trailer: