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Ein Faustschlag, ein Ritterschlag
Beni Bischof ist fünf Jahre nach seiner Kunsthallen-Ausstellung jetzt auch im Kunstmuseum St.Gallen angekommen. Dort schlägt der Rheintaler Künstler faustdick zu.

Mein Lieblingssatz im Buch ist «The Problem ist not the problem». Da weiss man gleich, wo man gelandet ist: in den unauflöslichen Paradoxien der Gegenwart. Im Universum des Beni Bischof.
In diesem Universum haben schlappe Kalauer ihren Platz, wie «Lieber Pils-Bier als Shakespeare!». Hier stehen unkorrekte Witze über Schwule neben Liebeserklärungen – «Ich geh mit Dir ans Ende der Welt, bis ans Ende der Zeit. Bis es Sternschnuppen schneit.» Hier findet man Rat in Notlagen – «Du bist in einem Loch? Höre auf zu graben!». Man findet Einsichten – «God Hates Flags» – neben Parolen – «No is the new Yes» – und höheren Blödsinn auf allen Ebenen wie «Glück ist, wenn man mit Menschen, mit denen man absolut nichts zu tun haben will, auch tatsächlich nichts zu tun hat.»
Mit Beni Bischof aber wollen alle zu tun haben. Der Rheintaler Künstler reiht Ausstellung an Ausstellung und Publikation an Publikation – vor Jahresfrist war es der bilderüberquellende Wälzer namens Psychobuch, jetzt ist es ein bilderloses Taschenbuch, das aussieht wie von Suhrkamp, gestaltet wurde von Saiten-Grafiker Samuel Bänziger, und das simpel Texte 1 heisst. Aus ihm stammen die obigen Zitate. Das Buch begleitet die Ausstellung, die das St.Galler Kunstmuseum dem Manorpreisträger Bischof ausrichtet. Sie ist seit dem Wochenende zu sehen und wirft die gleichen Frage auf wie das Buch: Worum geht es im «Beniversum»?
Um Gewalt? «John Rambo: Live for nothing oder die for something» steht im Büchlein. Im Raum zwei der Ausstellung finden sich an einer mit Zeichnungen vollgeklebten Wand passend dazu ein paar der rund 400 Rambo-Aquarelle, die Beni Bischof dem Film abgemalt hat. Im nächsten Saal baumelt ein Mobile aus Baseball-Schlägern verdächtig harmlos von der Decke, weiter hinten eine Hängeskulptur mit Fuchsschwänzen neben Boxsäcken mit Aufnähern der Sex Pistols, Judas Priest oder der Ramones.
Ein «ziemliches Gewaltpotential» ortet Museumsdirektor Roland Wäspe beim Rundgang – «aber in feiner Balance». Kitschpotential ist auch dabei, etwa mit den goldenen Kettchen, an denen die Hängeskulpturen befestigt sind. Am Ventilator dreht eine Bierbüchse und schwebt Rosshaar. An die Säule im Saal hat einer zwei Männchen gekritzelt, vielleicht war es der Künstler selber: «I love you» sagt das eine, «I love you too» das andere. Die Männchen haben Schlagstöcke in der Hand.
Vermutlich geht es trotzdem weniger um Gewalt als um die pure Lust am gewaltigen Bildarsenal der Gegenwart, am Sammelsurium aus Zeichen, Wörtern, Tönen, Dingen, aus Quatsch und Kitsch und Wunder, gefischt aus dem Netz, aufgeschnappt aus Büchern, geschnipselt aus Glamourheftchen und zu Kunst zusammengekittet – «Im Falle eines Falles klebt UHU wirklich alles» steht beruhigend im Texte-Buch.
Es geht vermutlich um die Fülle an sich, vorurteilslos. «DUDE I DUNNO WHY BUT I LIKE YOUR MESS» hat der Künstler in Riesenbuchstaben an die Hauptwand im Hauptsaal gepinselt. In der Hoffnung, dass das Publikum seinen Künstler-Dude seinerseits auch lieben möge.
Richtig messiehaft wird es im letzten Raum. In eine Holzbox hat Beni Bischof dort ein Wohnzimmer eingebaut, mit all den Gegenständen aus 1001 Nacht, die ihm die letzten Jahre in die Finger geraten sind und in die man sich hier verlieren kann. Zwar fehlt uns natürlich die Zeit dazu – «No time to chill» heisst die Installation im Massstab 1:1 –, aber umso grösser ist die Gefahr, hier im abgewetzten Sofa bei einem Bier aus dem Kühlschrank zu versacken und Stunden später erst einen bildertaumelnden Ausweg aus dem Beniversum zu finden.
Also hingehen und sich kontaminieren lassen. Auch wenn im ersten Raum den Besucher gleich eine cleane gelbe Schaumstoff-Faust aus dem 3D-Drucker empfängt. Sie symbolisiert den Ausstellungstitel «PLACE FIST HERE BRO!». Im Texte-Buch kann man dazu ein Zitat finden, bezogen auf die längst wieder aus dem Bewusstsein verschwundene Vogelgrippen-Panik: «In light of the 2009 H1N1 pandemic, the Dean of Medicine at the University of Calgary, Tom Feasby, suggested that the fist bump my be a ‚nice replacement of the handshake’ in an effort to prevent transmission of the virus.»
Ein Virus, ein Faustschlag, ein Ritterschlag ist diese von Nadia Veronese kuratierte Ausstellung. Und ein überaus vergnüglicher Parcours. Obwohl die Frage bleibt, worum es im Ganzen geht. Im Buch steht auch dieser bedenklich stimmende Kurzsatz: «God Hates Art.» Vermutlich ist Gott eine Echse – denn auf einer der Zeichnungen (noch immer Beni Bischofs grandioseste Kunst und die «Basis» seines Schaffens, wie er selber sagt) ist eine Ansammlung von echsenartigen Wesen zu sehen, der Text dazu lautet: «No to contemporary Art. Together we can stop it.»
Beni Bischof: «PLACE FIST HERE BRO!», Kunstmuseum St.Gallen, bis 21. Juni 2015.
Buch: Beni Bischof: «Texte 1», Edition Patrick Frey 2015, Fr. 20.-.
benibischof.ch, kunstmuseumsg.ch
Bilder: Stefan Rohner
„Glück ist, wenn man mit Menschen, mit denen man absolut nichts zu tun haben will, auch tatsächlich nichts zu tun hat.“ Aus purer Eitelkeit möchte ich festhalten, dass der Satz meinem Poetry-Slam-Text „Glück ist“ entnommen ist. Es freut mich natürlich, wenn ein offenbar zum Selberdenken zu müder Künstler ebenso von meinem Werk begeistert ist wie ich selber. Weniger erfreulich finde ich allerdings, wenn der Künstler auch zu müde ist, beim Autor nachzufragen, ob er ihm den Satz selbstlos zum Abdruck freigibt. Kollegen, schliesst Fenster und Türen, Beni Bischof schleicht in eurem Garten rum.