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Einfach kompliziert
Moritz «Mölä» Wittensöldner und Claudia Römmel erfinden Spiele. Die sehen einfach aus, aber sind vertrackt. «Ich fordere mich gern selber heraus», sagt Mölä.

Mein Favorit ist Pendur. Man könnte denken, es sei kinderleicht, aber es scheint eine ziemlich trickreiche Sache zu sein – nur schon wenn man sich die Kurzerläuterung im Video ansieht:
Pendur ist eins von inzwischen sieben Spielen, die der Kleinverlag «arte ludens» auf den Markt gebracht haben – alle mit so wundersamen Namen wie Togg, Kadura, Dynamory etc. Ein achtes kommt im Herbst heraus. Die «arte ludens»-Köpfe kennt man auch sonst in der Ostschweiz: Claudia Römmel ist Tanzfrau und Filmemacherin (zuletzt «143 Wagnisse»); Moritz Wittensöldner war als Mölä einst Kabarettpartner von Manuel Stahlberger und arbeitet als Informatiker.
Was drängt ihn dazu, bei all den zahllosen existierenden Spielen noch neue zu erfinden? «Ich fordere mich gern selber heraus. Beim Spielen geht es mir darum, die eigenen Grenzen auszuloten» – wozu ein «Eile mit Weile» nicht so ganz geeignet sei. Zwar gibt es auch in Pendur und den anderen Spielen Elemente, die nun mal erfunden sind: würfeln, einander auffressen, gegen die Zeit spielen, bestimmte Wege gehen oder legen, Dinge memorieren, bluffen… Daraus aber lassen sich neue Varianten entwickeln – ziemlich nervenaufreibende im Fall etwa von Dinamory, wo das traditionelle Memory eine dritte Dimension erhält, dass es dem Anfänger beim blossen Zuschauen sturm im Kopf wird.
Einfache Regeln, simples Material
Komplex sind die Aufgaben – Regeln und Material sollen aber möglichst einfach gehalten sein im Spiel-Universum des Duos. Holzklötzchen sind in der Regel das Spielmaterial, sie unterscheiden sich in Farbe und Form oder sind mit Symbolen versehen, dazu kommen Würfel und eine Spielanleitung – und los gehts. Bei Kareda zum Beispiel so: Klötze in unterschiedlichen Farben werden in Reihen beliebig ausgelegt, dann würfeln die Mitspieler eine Farbenreihe – und suchen jetzt im ausgelegten Feld nach horizontalen, vertikalen oder diagonalen Reihen, in denen möglichst viele ihrer Farben enthalten sind. Der Clou: «Die Aufgabe wäre einfach, wenn man viel Zeit hätte. Aber nach einer Minute ist Schluss.» Das Ergebnis: Hirnrattern und Herzflattern.
Ob er auch im richtigen Leben ein Spieler sei? Mölä differenziert. Körperlich-sportlich sei er nicht gerade risikofreudig – nichts also mit Hochgebirgsklettern oder Tiefseetauchen. Legendär ist allerdings seine spielerisch-ernste Barfussgängerei bei fast jedem Wetter. Auch auf andern Gebieten, etwa handwerklich locke ihn das Ausprobieren. So hat er kürzlich auf dem Dach seines Häuschens ausserhalb von Trogen Photovoltaik montiert. «Man macht Erfahrungen, kommt Schritt für Schritt dem Ziel näher, und wenn etwas schiefgeht, ist es nicht schlimm.»
Mit den Spielen ist bis jetzt jedenfalls nichts schiefgegangen: Mit «arte ludens» verkaufen Wittensöldner und Römmel im Jahr um die 300 Spiele; zwei von ihnen, Kareda und Pendur wurden für den deutschen Lernspielpreis nominiert, und die Ideen gehen nicht aus – manche Spielidee schaffe es aber bloss zum Prototypen. Die real existierenden Spiele kann man an Spielabenden ausprobieren, nächstens etwa am 29. und 30. März beim Spielfest im Stadtsaal Wil. An solchen Anlässen treffe sich ein buntes Volk – auch Eigenbrötlern könne das Spielen eine Tür zum Kontakt mit anderen auftun, sagt Mölä.
Spielerische Kulturlandsgemeinde
Für einmal tüftelt Mölä im Moment auch an «Spielen ohne Grenzen»: Für die Ausserrhoder Kulturlandsgemeinde 2014 Anfang Mai entwickelt er eine Reihe von Geschicklichkeits-, Team- und Hallenspielen. Die «New Games», bei denen es nicht nur ums Gegen-, sondern auch ums Miteinander gehen soll, passen zum Thema der diesjährigen Landsgemeinde und zum Veranstaltungsort Schönengrund: «Mitten am Rand» heisst das Motto des Festivals, es beschäftigt sich mit Zentrum und Peripherie, Einmittungen und Ausgrenzungen, geografisch, sozial und lebensgeschichtlich. Neben Debatten und Kunstaktionen sollen die Spiele das Publikum dazu verlocken, über Ränder zu balancieren, die Mitte zu treffen und zu verfehlen, Positionen zu halten oder zu kippen.
Spiele für Randsteher, Mitläufer und Platzhirsche: Auch da ist Mölä spielerisch im Element.