, 13. November 2016
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Frische Perspektiven aus Lateinamerika

«Brennpunkt Literatur, Gesellschaft und Sexualität» schreibt sich Pantalla Latina auf die Fahne – und bringt so unerwartetes lateinamerikanisches Kino auf heimische Leinwände. von Giancarlo Corti

Yo von Matías Meyer läuft am Sonntag um 13:15 Uhr. (Bild: Filmstill)

Auf Initiative von Fidel Castros Nichte fliegen jährlich zwei Ärzte aus Holland und Belgien nach Kuba und führen dort geschlechtsangleichende Operationen durch. Der kubanische Staat übernimmt die Kosten und verbindet das Ganze unter dem Slogan «Homophobia no, socialismo si!» mit sozialistischen Botschaften. Und das soll keine Fiktion sein?

Transgender in Kuba

Nein: Der Dokumentarfilm Transit Havanna des niederländischen Filmemachers Daniel Abama begleitet drei kubanische Protagonist*innen aus der LGBT-Community durch ihren Alltag. Der Film bietet einen überraschenden Blickwinkel auf die kubanische Gesellschaft, fern von stereotypen Vorstellungen – und genau darin liegt der Anspruch des Festivals: «Wir setzen jedes Jahr einen Fokus, der sich abseits politischer lateinamerikanischer Filme bewegt und dem europäischen Publikum weniger bekannte Facetten Lateinamerikas näher bringt», erklärt Mariel Diez vom Festival Pantalla Latina.

«Der Fokus auf den Umgang mit unterschiedlichen Formen der Sexualität ist einerseits per se spannend und drängte sich dieses Jahr besonders auf, weil in neuester Zeit sehr interessante Filme dazu produziert wurden und sie unsere Kriterien für den gesuchten frischen Blickwinkel erfüllen.»

Pantalla Latina 2016:
16. bis 20. November, Kino Rex St.Gallen
Programm: pantallalatina.ch

Die Filme beschränken sich dabei nicht auf das Thema der Transsexualität, sondern zeigen viele Formen und Facetten abseits der katholischen, heterosexuellen Norm. Den Rahmen der Vorführung von Transit Havanna im ehemaligen Kino Palace beschreibt Diez als ein Experiment: Zum ersten Mal zeigt das Festival einen Film ausserhalb der eigenen Spielstätte – mit anschliessender Podiumsdiskussion, die in Zusammenarbeit mit der St.Galler Fachstelle für Aids- und Sexualfragen organisiert wird.

Homosexualität und -phobie in Lateinamerika

Das Spektrum der gezeigten Filme ist bunt: Der chilenische Film Nunca vas a estar solo etwa erzählt die Geschichte des 18-jährigen Homosexuellen Pablo, der mit seinem Vater zusammenlebt, sich von diesem jedoch entfremdet hat. Pablo wird Opfer eines homophob motivierten Angriffs, der auch die Vater-Sohn-Beziehung vor neue Herausforderungen stellt.

Linea de cuatro aus Argentinien handelt von alten Männer-Freundschaften und tiefliegenden Geheimnissen, die trotz gemeinsamer Kindheit ohne Grund eben nie an die Oberfläche kommen.

Das Aufeinanderprallen vom Leben als Homosexueller in der Metropole und einer Kindheit in einer indigenen Gemeinschaft beleuchtet der brasilianische Film Antes o tempo não acaba. Der Protagonist Anderson lebt am Rande von Manau in steter Furcht, von Schamanen seines Stammes gefunden und für seine sexuelle Ausrichtung bestraft zu werden.

Das kubanische Drama El acompañante schliesslich – mit dem Orishas-Rapper Yotuel in der Hauptrolle – komplettiert den thematischen Fokus zur Sexualität: Ein kubanischer Boxer wird des Dopings überführt und muss zur Strafe in einem vom Militär geführten Sanatorium mitarbeiten, in welches HIV-Positive zwangsweise eingewiesen werden.

Roadmovies und Kinderprogramm

Der Fokus zur Sexualität sei nicht der einzige unbekannte Blickwinkel, den die Macher und Macherinnen des Festivals einer breiteren Öffentlichkeit in Europa bekannt machen möchten. «Das lateinamerikanische Kino besticht durch seine Vielfalt, die ihren Weg noch viel zu selten bis nach Europa findet», erklärt Diez das weitere Programm.

Von Roadmovies (Camino a la paz und Tempestad), über ambitionierte Dokumentarfilme (z.B. Hija de la laguna) und dem kubanischen Animationsfilm Meñique y el espejo mágico im Kinderprogramm stehen vielversprechende Vorführungen abseits des Mainstreams auf dem Programm – an der neuen Spielstätte erstmals auch in mehreren Kinosälen.

Das Storchen ist tot, lang lebe das Rex

«Die Schliessung des Kino Storchen war eine grosse Herausforderung für das Festival», sagt Diez. «Ursprünglich wurde uns zugesichert, dass Pantalla Latina auch 2016 noch im Storchen stattfinden könne, die Schliessung im Sommer kam dann sehr kurzfristig».

Glücklich, dass eine Lösung gefunden wurde, sieht Diez in der neuen Spielstätte durchaus Potential. Das Rex Studio passe mit seiner Ausrichtung für Arthouse- und Independent-Filme thematisch gar besser zum Festival und die neue Möglichkeit der Programmation in mehreren Sälen biete auch die Chance, das Publikum zu erweitern.

Und mit diesem steht und fällt jedes Festival: Die Stammkundschaft ist treu, das Erreichen von neuem Publikum aber durchaus erwünscht – am Programm dürfte dieses Vorhaben jedenfalls nicht scheitern.

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