, 21. August 2012
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Happy songs for happy people

Selbstironischer hätte die Schottische Rockband Mogwai ihr Album 2003 nicht titeln können. Fröhliche Lieder für fröhliche Leute. Und was dann kommt, ist eine tiefdunkle Sauce voller Demut, Melancholie und Resignation. Turnhallengrosse Klangräume, himmeltraurige Streicher, ein schön langsamer Takt in schier endlosen Repetitionsschlaufen, fast nie Gesang, dafür umso gigantischere Gitarrenwände. Die 1995 in Glasgow gegründete Band […]

Selbstironischer hätte die Schottische Rockband Mogwai ihr Album 2003 nicht titeln können. Fröhliche Lieder für fröhliche Leute. Und was dann kommt, ist eine tiefdunkle Sauce voller Demut, Melancholie und Resignation. Turnhallengrosse Klangräume, himmeltraurige Streicher, ein schön langsamer Takt in schier endlosen Repetitionsschlaufen, fast nie Gesang, dafür umso gigantischere Gitarrenwände.

Die 1995 in Glasgow gegründete Band war stets Schulter an Schulter mit der Mitte-Neunziger-Hardcore-Szene, doch entschied sie sich für den brachial-sanften Weg. Auf keiner der bisher sieben veröffentlichten Platten gibt es das typische Rock-Schema Strophe-Refrain-Strophe. Vieles ist instrumental, die Musik lebt von Aufs und Abs in Intensität und vor allem Lautstärke.

Die Lautstärke schätzte man auch am Sonntagabend in der Poolbar in Feldkirch. Scheinbar jeder Kubikmeter Luft in der viel zu warmen Konzerthalle war gleichermassen prall gefüllt mit Musik, als wären die Verstärker nur Zentimeter vor der Nasenspitze, und das auch in der hintersten Ecke. Die Schotten wirkten, als wären sie gut gelaunt: Spielten sie doch viele Stücke aus den ersten Alben «Come on die young» und «Rock Action».

Und eben, auch die «Happy songs for happy people» wurden gespielt. An ihrem Auftritt am Openair St.Gallen 2011 sowie in der Grabenhalle im selben Jahr fokussierte sich die Gruppe eher auf ihr neues Material.

Diese Haltung freute die teilweise langjährigen Fans in der Poolbar am Sonntag, aber sichtlich auch die Band selber: Schön war der Moment, als Dominic Aitchison, der Bassist der Gruppe, die sonst auf der Bühne eher gestenkarg (Kritiker sagen versteinert) wirkt, beim älteren Lied «Hunted by a Freak» freudig den Kopf schüttelte,  erstaunt darüber, wie gut das jetzt klingt.

Bei so viel schön-trauriger Musik die gute Laune zu behalten, muss schwer sein. Vielleicht lags am Veranstaltungsort, der Poolbar. Jedes Jahr findet das Festival im alten Hallenbad zu Feldkirch statt, und es dauert fünf satte Wochen. Die Bands werden von Jahr zu Jahr grösser: Yann Tiersen, The Whitest Boy Alive, Tindersticks, DJ Hell, Regina Spektor oder Destroyer spielten diesen Sommer dort. Entweder unten im trockengelegten Becken oder oben in der Halle.

Alles ganz grosse Namen – und das nur gerade zehn Minuten vom Rheintaler Grenzübergang in Oberriet entfernt (was wohl der Grund dafür ist, weshalb die nahe Tiefgarage immer voller SG- und AR-Autokennzeichen ist). Das heisst: Rund vierzig Autominuten von St.Gallen. Und da soll mal einer sagen, es sei alles klein hier. Wer in der Grosstadt lebt, tuckert teilweise auch bis zu einer Stunde zu seiner Lieblingsbar!

Wer die Poolbar nicht kennt und jetzt sofort dort hin fahren möchte, muss sich ein Jahr gedulden. Mogwai machten das Schlusslicht in dieser Saison. Caroline Kaltenreiner, Mediensprecherin der Poolbar, resümiert nach dem Konzert draussen an der Bar: «Wir hatten 21’000 Besucher dieses Jahr hier». An den verschiedenen kleinen Bars drinnen und draussen, in der Vorbereitung der jährlich wechselnden Inneneinrichtung, der Planung und der Technik arbeiten insgesamt über hundert Leute, Kooperationen mit der örtlichen Mediendesign-Fachhochschule und ähnlichen Institutionen nicht mitgezählt.

Viele Abende seien ausverkauft gewesen dieses Jahr, erzählt Kaltenreiner, allen voran Marilyn Manson, dessen Konzert dann der ticketlosen Fans wegen in die Mehrzweckhalle im Dorf verlegt wurde. Einzelne Vorarlberger hätten zum Schutz ihrer Jugend übrigens extra vor dem Konzerttermin spezielle Gottesdienste einberufen, sagte man damals auf FM4, einem der letzten guten UKW-Radiosender, den man auch noch in St.Gallen (und bis Winterthur) mit dem billigen Radiogerät empfängt und der selber Veranstaltungen in der Poolbar organisiert.

Links:
Poolbar Festival
Mogwai
FM4

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