, 29. November 2024
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«Ich habe seit Jahren damit geliebäugelt»

Der St.Galler Gastrounternehmer Ruedi Gamper übernimmt die August-Bar. Deren Slogan «Some People Are Hot» hat er extra beibehalten als Hommage an die Gründungszeit. Auch die «Tavola» bleibt. Neueröffnung ist dieses Wochenende.

Die August-Bar gehört seit 40 Jahren zur Gallusstadt wie der Plotsch an den Openair-Stiefeln. Wer irgendwann seit 1984 im berüchtigten Bermuda-Dreieck im Ausgang war, weiss ziemlich sicher einen Schwank aus dem August zu erzählen, der Bar mit dem Sägmehl am Boden. Eröffnet wurde das Lokal am Rand der nördlichen Altstadt 1984 von Carl Coray. Im selben wurde aus der Aktionshalle Graben gleich vis-à-vis die offizielle Grabenhalle. Es herrschte Aufbruchstimmung in den Gassen und Köpfen.

Carl Coray, den alle nur Charlie nannten, war mittendrin. «Machen statt fragen», war seine Devise. 1987 baute er den ersten Stock zur «Tavola» aus und installierte einen langen Tisch. Ohne Bewilligung. Der Spass kostete ihn 700 Franken. Umstritten war auch der runde Dachaufbau samt begehbarem Humidor, den er 1991 plante. Saiten hat 2019 in der Rubrik Innensicht darüber geschrieben: Die Baubewilligungsbehörde bezeichnete den Aufbau als «gewagt, aber gut», verlangte aber Anpassungen. Und der Denkmalpfleger hatte wenig Freude am «nicht harmonischen» Akzent.

Der August in den Anfangszeiten, noch ohne Dachaufbau. Fotografiert vermutlich Mitte der 80er-Jahre von Günther Parth. Publiziert in Ausgabe Nr. 3 der Zeitschrift «August».

Mittlerweile ist auch der runde Dachaufbau denkmalgeschützt. Eine steile Sambatreppe aus Stahl führt hinauf. Ruedi Gamper und sein Team haben sie bereits umgetauft in Himmelsleiter. Der Unternehmer und Gastronom freut sich auf die Neueröffnung der August-Bar, in der er «endlich wieder selber mehr hinter dem Tresen stehen kann». In der Süd-Bar beim Union, die er seit 2017 führt, komme er zu selten dazu.

Das Haus hat es verdient

Zwei Tage bleiben ihm und den Handwerkern noch, um das dreistöckige Lokal fertig in Schwung zu bringen. Vordergründig ist die Renovation sanft. Viele der typischen 80er-Jahre-Details sind geblieben. Die Plättli, der Messingboden. Auch der über zwei Etagen führende Flaschenabwurf in den Keller, den Coray und seine Frau Claudia anno dazumal eingebaut haben, ist noch da. Und natürlich das Designer-Cheminée des St.Galler Ofenbauers Josef Christian Buck, allerdings mit leicht gestutzten Seitenflügeln. Dafür gibt es jetzt ein Ofenbänkli.

Verschwunden sind die ledernen Barhocker mit dem August-Logo drauf. Sie wurden ersetzt durch leichtere Holzstühle. Auch die geschwungene Kerzenreihe über der Bar musste dran glauben. Dafür hängt dort jetzt eine Art leuchtende Himmelstorte. Oder zumindest eine halbe. Die Bar wurde neu verkleidet, und auch die oberen Stockwerke haben einen frischen Anstrich, neue Böden und Möbel bekommen.

Die August-Bar vor der Renovation…

… und danach. Ganz rechts ist der Flaschenabwurf zu sehen.

Was die Renovation gekostet hat, will Gamper nicht verraten. Es sei auch nicht so wichtig, denn dieses charmante Haus habe es «verdient, wieder schön herausgeputzt zu werden». Er habe schon seit Jahren damit geliebäugelt, darum sei ihm die Entscheidung leichtgefallen, als ihm das Lokal zur Pacht angeboten wurde. «Früher habe ich oft meine Dates hierhin ausgeführt», sagt er und lacht.

Mittlerweile ist die ganze Familie involviert. Gamper will der Tradition folgen und im August – nebst einem gut gepflegten Getränkesortiment – auch Essen anbieten. Das Lokal verfügt nämlich über gefühlt die kleinste Küche der Stadt. Der Koch ist verpflichtet, für die abendliche «Tavola» im ersten Stock gibt es bereits erste Anmeldungen, und auch ein Mittagsmenü ist in Planung.

«Gute Arbeitgeber:innen finden auch gute Leute»

17 Leute gehören zum neuen August-Team, samt Aushilfen und Administration. Probleme sie zu finden, habe es nicht gegeben, sagt Gamper. Im Gegenteil, er habe keine einzige Stelle ausgeschrieben. Vom Gastro-Fachkräftemangel scheint Gamper wenig zu spüren, auch nicht in der Süd-Bar, wo derzeit rund 60 Personen angestellt sind. Seine Erklärung dafür: «Gute Arbeitgeber:innen finden auch gute Leute. Viele haben sich gemerkt, wie sie während Corona behandelt wurden. Wir hatten auch Schwierigkeiten, aber in unseren Betrieben wurde niemand entlassen. Das spricht sich herum.»

Auch die Kultur hat weiterhin ihren Platz im August. Geplant sind Akustikkonzerte, Kinderlesungen, Spielnachmittage mit dem St.Galler Spielentwickler Pierre Lippuner und natürlich Spoken-Word-Events. Letztere begleiten Ruedi Gamper seit seiner Zeit in der Baracca-Bar, die er einst geführt hat. Jahrelang fanden dort einmal im Monat am Sonntag die «Tatwort»-Lesungen statt. Als Gamper 2017 die Süd-Bar übernahm, zügelten die Wortakrobat:innen mit. Und das tun sie auch jetzt, wobei die August-Bar bei Slampoet:innen ohnehin einschlägig bekannt ist. Die Autoren Ralph Weibel und Richi Küttel veranstalteten dort unter der Ägide der Vorbesitzer:innen Martin und Gabi Tinner regelmässig Lesungen am heimeligen Kamin.

«Lieber Närrin als Untertanin!»

Die Tinners haben die August-Bar 15 Jahre lang geführt. Nachdem sie das Haus 2022 verkauften, ist es ruhiger geworden in dieser Ecke des Bermuda-Dreiecks. Die neuen Hausbesitzer versuchten es unter anderem mit einer Pop-Up-Bar und einem Gastspiel der Osteria San Gallo. Der Schwung früherer Tage wollte aber nie so richtig zurückkommen. Ruedi Gamper und sein Team wollen das jetzt ändern und wieder Leben in die Bude bringen.

Sie beziehen sich sogar explizit auf den Groove der Anfangszeiten. Die Corays gaben damals in unregelmässigen Abständen eine kecke Zeitschrift namens «August» heraus. Ein grossformatiges Glanzmagazin im 80er-Look mit Fotostrecken, Hommagen, Absurditäten, Rezeptideen und allerhand eigens gestalteten Inseraten. Grossartig.

Das Cover des dritten Ausgabe. Leider ist nirgendwo einen Jahreszahl zu finden, vermutlich erschienen Mitte der 80er-Jahre.

Ein paar Exemplare der «Ausgabe Nr. 3» lagen noch im Keller. Darin schreibt Claudia Coray in einem Brief an ihre Freundin Romana über den August: «Weisst du, es ist die schönste Bar. (Jetzt sind auch die St.Galler davon überzeugt, nachdem es die Fremden gesagt haben.) Sie lebt von der Spannung von Ästhetik und Gefühl, von den vielen gepflegten, kleinen Details… und, Romana, ich sag’s jetzt halt doch, auch ein bisschen von mir. Ich habe im August meine Bühne, meine Auftritte – ich bin Clown vom Dienst, manchmal auch Narr meiner Könige, der Gäste. Aber lieber Närrin als Untertanin!»

Ja, Claudia wusste es eben: «Some People Are Hot». Das war damals das Motto der August-Bar. Und sie und ihre Gäste gehörten dazu. Ab diesem Wochenende verkehrt die nächste Generation hotter Leute im August. Den Slogan «Some People Are Hot» hat Gamper extra beibehalten als Hommage an die Gründungszeit. Und auch die Zeitschrift will er wieder aufleben lassen. Zweimal im Jahr soll der «August» künftig erscheinen.

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