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Ist teilen nicht gleich teilen?
Von Ende Juli bis Mitte Oktober verzeichnete der schwedische E-Scooter-Anbieter VOI in St.Gallen mehr als 100’000 Ausleihen, abhanden gekommen sind nur eine Handvoll. Nach dem Pilotversuch will VOI weiter vorwärts machen. von Marcel Baur
Wir teilen Bohrmaschinen, Autos und Büroräume inklusive Ausstattung. Das Teilen (oder Neudeutsch: Sharing) liegt im Trend. Die Vorteile leuchten ein. Warum soll sich ein Start-Up in einem teuren Bürokomplex einmieten, wenn es doch auch günstiger und kreativer geht?
Ich denke, hier sind wir uns alle einig.
Seit Ende Juli können wir in St.Gallen auch elektrische Trottinette teilen. Den E-Scootern zum Ausleihen weht jedoch ein anderer Wind entgegen. Die Dinger sind unökologisch, sind Datenkraken, sind gefährlich und liegen überall in den Büschen. Und sie sind für die gepflasterten Gassen in der Stadt ungeeignet. So schimpft der Volksmund.
Aber woran liegt das? Es geht doch ums Teilen, und Teilen ist gut, da waren wir uns doch einig? Liegt es an den Bildern, die wir von anderen Städten kennen, oder daran, dass die Trottis ungewohnt sind und sie uns deshalb besonders auffallen? Warum stellen wir an Trotti höhere ökologische Ansprüche als an E-Bikes? Sind wir bereit, Trottis wie Bohrmaschinen zu teilen oder fürchten wir uns in unserer Fantasie davor, dass hunderte farbige Fahrzeuge unsere Stadt zustellen?
Nicht alle diese Fragen werden Ende November beantwortet werden können, die persönliche Wahrnehmung spielt dabei eine (zu) grosse Rolle. Zu den handfesten und messbaren Punkten werden die Stadt, die Stadtpolizei und der Anbieter VOI demnächst ihre Erfahrungen austauschen und entscheiden, wie es weitergeht.
Der Pilotversuch in St.Gallen mit den insgesamt 100 E-Scootern endet am 3. November. Das erklärte die Firma VOI am Dienstag einem «Presse Round Table» im Tibits. Der Anbieter zeigt sich bislang sehr zufrieden, zählte er doch bis Mitte Oktober schon mehr als 100’000 Ausleihen und nur eine handvoll Trottis, die abhanden gekommen sind. Damit bewegen wir uns auf Augenhöhe mit Winterthur und haben dank den Ostschweizer Tugenden bei den Verlusten für eine positive Überraschung gesorgt.
Noch steht die Stadt aber erst am Anfang. Entscheidet sie sich für eine längerfristige Bewilligung, will VOI als Anbieter vorwärtsmachen. Nachdem bereits im September die Zone auf den Rosenberg und die HSG ausgeweitet wurde, soll die Abdeckung der Stadt erweitert werden.
Und es sollen neue E-Scooter-Modelle zum Einsatz kommen. Die Reichweite der aktuellen Roller liegt bei 40 Kilometern. Die nächste Generation bewältigt dann eine Strecke von 50 Kilometern. Das kommt all jenen entgegen, die in der Agglomeration wohnen. Die von VOI registrierten Ausflüge nach Teufen und Arbon legen nämlich nahe, dass auch grössere Ausflüge machbar sind.
Bei Gebühren von 25 Franken, die für das Parkieren ausserhalb der Zone verrechnet werden, darf man womöglich sogar von einer neuen Konkurrenzsituation für die Taxifahrer sprechen. Technische Massnahmen, die eine «Entführung» der E-Scooter verhindern könnten, sind bislang nicht geplant.
Aber auch die Stadtbewohner dürfen sich freuen. Sie kommen mit der nächsten Generation in den Genuss von Trottis mit Federung. Damit dürften auch Fahrten auf den gepflästerten Gassen in der Innenstadt um einiges angenehmer werden.
Das oft erwähnte Einsammeln von Rollern mit leerem Akku soll sich in naher Zukunft ebenfalls verbessern. Die neuen Modelle mit auswechselbaren Akkus müssen dann nicht mehr komplett zu den Ladestation gefahren werden. Stattdessen können die leeren Akkus durch frisch geladene Batterien ersetzt werden. Die Verteilung soll dann umweltfreundlich mit Cargo-Bikes erfolgen.
Zusätzlich laufen in Schweden, im Heimatland des Anbieters VOI, Tests mit sogenannten VOI-Hunters. Das sind Kunden, die sich bereiterklären, die Trottis bei sich zu Hause aufzuladen. Sie werden mit Credits, die sich für Freifahrten nutzen lassen, belohnt. Ob diese Idee irgendwann auch in die Schweiz kommt, liess VOI offen.