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Kein Bock darauf, Gastgeber zu sein
Chance verpasst, in mehrfacher Hinsicht: Stefan Sonderegger, Historiker und Co-Präsident des Vereins Expo 2027, im Interview zum heutigen Abstimmungsnein.
Stefan Sonderegger, wie erklären Sie sich das klare Expo-Nein in St.Gallen und im Thurgau?
Im Expo-Verein war ich als Vertreter Ausserrhodens engagiert. Und Ausserrhoden hat den Expo-Kredit ja im Parlament, wenn auch ohne Volksabstimmung, bereits gutgeheissen. Für einmal herrschte hier offensichtlich ein weltoffenerer Geist als in den Nachbarkantonen.
Worum wäre es für Sie bei der Expo27 gegangen?
Um vieles, aber die Kardinalfrage war: Wollen wir die Rolle als Gastgeber annehmen, nicht nur für die übrige Schweiz, sondern auch die benachbarten Regionen. Es wäre ja die erste Expo gewesen, die nicht bloss als schweizerische Nabelschau gedacht war, sondern die internationale Bodenseeregion mit einbezogen hätte. Offensichtlich will man diese Gastgeberrolle aber nicht wahrnehmen. Das ist umso bedauerlicher, als die Regierungen der anderen Kantone die Ostschweizer Initiative unterstützt haben. Da war ein Angebot da – die Bevölkerung hat es abgelehnt. Ich bedaure das natürlich, und es ist ein bedenkliches Signal nach aussen.
Die Ostschweiz jammert gern, sie sei «abgehängt»…
Mit dem heutigen Resultat müssen wir jedenfalls nicht mehr jammern, die Schweiz höre in Winterthur auf. Die Chance ist verpasst, das Bild zu ändern. Und eine weitere Chance wäre es gewesen, in den nächsten drei Jahren ein gutes Konzept gemeinsam, über die Kantonsgrenzen hinaus zu entwickeln und dabei die besten Leute einzubeziehen.
Das Nein bestätigt das Vorurteil, die Ostschweiz traue sich nichts zu. War das historisch schon immer so?
Gerade nicht. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts hat man sich in unserer Region sehr viel zugetraut, das zeigt die Blütezeit der Textilindustrie nicht nur in St.Gallen, sondern auch im Appenzellerland und im Thurgau. Sich international zu präsentieren und der Konkurrenz zu stellen, das gehörte mit dazu. Die Wende kam mit dem Zusammenbruch der Textilindustrie nach dem Ersten Weltkrieg. Und bei der jetzigen Abstimmung spielten vermutlich die Unsicherheiten, was unsere Zeit betrifft, mit hinein – die Ansicht, wir bräuchten das Geld für andere Aufgaben als für eine Expo. Dabei hätte sich diese auch finanziell ausbezahlt.
Die Expo-Befürworter haben weite Kreise der Bevölkerung nicht erreicht, insbesondere auch die Jungen nicht, also die Generation, die die Expo hätte gestalten können. In den sozialen Netzwerken war das Thema kaum präsent.
Die Aufgabe, die Kampagne zu führen, hatte das Pro-Komitee. Der Expo-Verein, dem ich angehöre, stand stärker im Hintergrund und wäre in der nächsten Phase wichtiger geworden, quasi als «Sounding Board» der Bevölkerung. Die Kritik ist sicher berechtigt, dass zuwenig erfolgreich vernetzt wurde – andrerseits war es schwierig, ein Projekt zu vermitteln, das noch gar kein Projekt, sondern erst eine Idee ist. Man sprach viel von Nachhaltigkeit – die «Vorhaltigkeit» ist aber genauso wichtig, und in dieser Hinsicht ist auch das heutige Nein ein Teil der Vor-Geschichte, an der man weiter arbeiten kann.
Sie hatten mit einem Ja gerechnet?
Ja, ganz klar. Ich bin enttäuscht. Aber wir werden nicht die Faust im Sack machen.