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Keine ID durch Grosskonzerne
Dass bei der geplanten E-ID ausgerechnet Banken und Versicherungen zum Zug kommen sollen, ist logisch: Unsere Daten sind für sie der Rohstoff der Zukunft, das Gold der Gegenwart. von Jochen Kelter
In nicht allzu ferner Zukunft soll nach dem Willen des Bundes jede Schweizerin, jeder Schweizer über einen elektronischen Ausweis verfügen. Das soll Behördengänge oder solche zur Post sowie jeden Verkehr mit Amtsstellen oder Privaten abkürzen.
Zum Reisen allerdings wird er sich nicht eignen, dafür wird man nach wie vor die traditionelle Identitätskarte (ID) oder einen Pass benötigen. Dieser Umstand allein könnte nahelegen, dass nicht nur der Umgang mit jeder Art von Bürokratie, sondern auch die Überwachung der Bürger vereinfacht werden soll.
Ausgegeben werden soll die neue E-ID aber nicht vom Bund selber, sondern von Privatfirmen, namentlich Konzernen wie der Zürich-Versicherung, den Grossbanken UBS oder Crédit Suisse, dazu der SIX-Group oder der Swisscom. Die Bundesverwaltung sehe sich ausserstande, diese Aufgabe zu übernehmen, heisst es. Das wäre eine Bankrotterklärung, es sei denn, sie ist, was zu vermuten ist, lediglich vorgeschoben.
Die Ausstellung von Dokumenten (wie Pass, Personalausweis und Urkunden) ist eine hoheitliche Aufgabe, die bislang zu Recht allein der Staat übernehmen durfte. Nun soll die Privatisierung (die bislang ausser Teuerungen für den Konsumenten und Profite für Private nichts gebracht hat) auch auf den hoheitlichen Bereich des Staats ausgeweitet werden.
Dass ausgerechnet Banken und Versicherungen zum Zug kommen sollen, ist logisch: Unsere Daten sind (nicht nur) für sie der Rohstoff der Zukunft, das Gold der Gegenwart, wertvoller beinahe
als alle Rohstoffe zusammen.
Der St.Galler FDP-Nationalrat Marcel Dobler, selbst IT-Unternehmer, hält die Bedenken gegen diese private Lösung für fake news. Na klar. Wir wollen nur eure Daten, liebe Bürgerinnen und Bürger, mit allem anderen kommen wir schon klar. Das glaubt man ihm gerne. Unterdessen aber haben verschiedene Komitees mit der Unterschriftensammlung begonnen, um ein Referendum gegen die Privatisierung, den Transfer unserer Daten vom Staat zu Konzernen zu lancieren.
Die SP unterstützt das Referendum, auch wenn es nicht ganz oben auf ihrer Agenda steht, ebenso die Grünen, die allerdings für Wahlfreiheit zwischen einer staatlichen und einer privaten E-ID sind. Das ist wohl, trotz aller Radikalität in ökologischen Fragen, der Anfälligkeit der Grünen für neoliberale Politik – auch im Sozialbereich – geschuldet.
Die nötigen 50’000 Unterschriften dürften kein Problem darstellen. Gemäss Umfragen sind 87 Prozent aller Bürgerinnen und Bürger gegen einen privaten elektronischen Identitätsausweis.
Dieser Beitrag erschien im Dezemberheft von Saiten.