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Metaphern für eine sich auflösende Welt
«Delfin»: Ralf Bruggmanns Romandebüt ist sprachlich gewandt, aber etwas zu konstruiert. von Richard Butz
Vor dem Hintergrund der Klimakrise mit steigendem Meeresspiegel, verheerenden Stürmen und Unruhen entwickelt Ralf Bruggmann eine Beziehungsgeschichte, in der Frauen im Vordergrund stehen, während die männlichen Figuren alle eher blass gezeichnet sind. Bruggmann, von Beruf Texter und in Speicher wohnend, legt nach Veröffentlichungen in Anthologien und Zeitschriften sowie nach dem Erscheinen des Prosabandes Hornhaut in der Edition Outbird (2017) mit Delfin seinen ersten Roman vor.
Hauptprotagonistinnen sind die alleinerziehende Nina, 34, mit ihrem achtjährigen Sohn Noah und Milly, 72, die ein Geheimnis hütet. Nina und ihr Sohn kämpfen mit den Folgen der Klimakrise, müssen deswegen ihr Haus verlassen. Noch vorher stösst sie am Meeresstrand auf einen verendeten Delfin, ein verstörendes Erlebnis. Milly hat ihren Mann verloren, der sich im Hobbykeller ihres Hauses scheinbar grundlos erhängt hat. Sie weigert sich, seinen Tod zu melden, steigt regelmässig in den Keller hinab, legt sich neben die zunehmend verwesende Leiche und will so mit ihrem Mann im Gespräch bleiben.
Die beiden Frauen lernen sich in der Bar kennen, in der Nina arbeitet, nähern sich gegenseitig an, um sich in einer dramatisch beschriebenen Szene schliesslich zu entzweien. Der Delfinkadaver und die Leiche im Keller können als Metaphern für eine sich auflösende Welt und die Brüchigkeit von Beziehungen verstanden werden. Die vom Autor in kurzen Kapiteln erzählte Geschichte geht aber nicht ganz auf und wirkt damit schlussendlich etwas zu konstruiert.
Trotz dieses Einwands überzeugt Bruggmann in seinem flüssig geschriebenen Romanerstling durch sein sprachliches Können. Der Autor spielt virtuos mit den Worten, überzeugt mit seinen Sprachbildern und präzisen Beschreibungen. Ein eindrücklicher Prolog und ein meisterlich verfasster Epilog rahmen die Geschichte ein, die Bruggmann mit dieser Erkenntnis von Milly so enden lässt: «Jeder Mensch hat seine eigene Geschichte. Und irgendwann ist die Geschichte zu Ende erzählt.» Aber damit ist doch nicht ganz Schluss, denn wie es im Epilog abschliessend heisst, setzt sich das Spiel fort, und «die Aufführung, sie ist noch nicht vorüber».