, 23. April 2019
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Nachrichtenwert

Die Anschläge in Sri Lanka zeigen einmal mehr: Selbst im Tod werden die Menschen noch in In- und Ausländer unterteilt. Das muss aufhören.

«Bei den Explosionen starben nach Polizeiangaben vom Montag mindestens 290 Menschen, darunter mindestens 35 Ausländer aus mehreren Ländern. Unter den rund 450 Verletzten, die noch in Krankenhäusern behandelt wurden, waren 19 Ausländer.»

«watson», 22. April

«Unter den getöteten sind auch mindestens 35 Ausländer aus Grossbritannien, der Türkei, Japan, den Niederlanden, China, Portugal, Australien und Indien.»

«St.Galler Tagblatt», 22. April

«Fast 300 Tote hat die Regierung nach den Anschlägen in Sri Lanka mittlerweile bestätigt. Unter den Opfern sind auch Dutzende Europäer.»

«Spiegel Online», 22. April

«Hundreds of Sri Lankans and at least 39 foreigners – including those from the UK, Turkey, Japan, the Netherlands, China, Portugal, Australia and India – were killed in the coordinated attacks, the worst in Sri Lanka since the civil war ended a decade ago.»

«The Guardian», 22. April

An Ostern war es wieder einmal besonders auffällig: Wann immer über ein Unglück, einen Anschlag, eine Katastrophe geschrieben wird, werden Opfer, die nicht aus dem betroffenen Land stammen, besonders erwähnt. Selbst im Tod werden die Menschen noch in In- und Ausländer unterteilt. Muss das sein?

Sicher, Sri Lanka ist eine beliebte Touristendestination. Die Daheimgebliebenen machen sich womöglich Sorgen, wollen wissen, ob es ihren Angehörigen und Bekannten gut geht. Aber trägt es wirklich zur Beruhigung bei, wenn man liest, dass «zwei Schweizerinnen» oder «acht Franzosen» unter den Opfern waren? Im Gegenteil. Klarheit herrscht erst, wenn ein Lebenszeichen von den Reisenden selbst kommt – oder die Namen der Opfer genannt werden.

Man könnte mit dem Nachrichtenwert argumentieren: Wenn gewisse Faktoren – in diesem Fall etwa Nähe, Relevanz oder Dramatik – gegeben sind, ist die Nennung der Herkunft allenfalls vertretbar. Nur nützt diese Information nichts. Eine Katastrophe wird nicht schlimmer, weil auch einige Europäer dabei gestorben sind. Der gewaltsame Tod dreier Kinder ist nicht weniger tragisch, nur weil ihr Vater kein Dänischer Milliardär ist.

Besser wäre, die Medien würden es handhaben wie mit den Polizeimeldungen: Die Herkunft der Täter oder in diesem Fall der Betroffenen sollte nur genannt werden, wenn sie relevant ist im Zusammenhang mit dem Fall.

Ich unterstelle den oben genannten Medien übrigens nicht Eurozentrismus oder noch schlimmer: Rassismus. Es ist die reine Geldgier. Schreckensmeldungen werden einfach besser geklickt und fleissiger gelesen, wenn noch ein paar Europäer betroffen sind, darum wird das auch so betont. Ginge es um ein zerbombtes Gotteshaus irgendwo im Irak, von denen es einige gibt, wäre die Nachricht nur halb so viel wert.

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