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Nachtkälber, Wolkenpferde
Wortspielereien und starke Bilder aus nächtlichen Traumregionen: Die St.Galler Journalistin Brigitte Schmid-Gugler publiziert erstmals einen Gedichtband. «Aller Liebe eigen» hat am Mittwoch Buchpremiere.
«Es kann aus jeder Richtung kommen»: Das ist ein Satz, der Räume aufmacht und vielleicht auch Unannehmlichkeiten ankündigt. Der Satz steht als Übertitel über dem letzten, vierten Teil des Gedichtbands Aller Liebe eigen von Brigitte Schmid.
Die St.Galler Journalistin, lange Jahre beim «Tagblatt» tätig, hat bisher unter anderem eine Sammlung Wahre Geschichten veröffentlicht, eine Biografie des St.Galler Domkapellmeisters Johannes Fuchs unter dem Titel Die Fuchsens oder eine Spurensuche rund um eine Skulptur im Toggenburg, Das Geheimnis der Heie. Jetzt tritt sie erstmals als Lyrikerin hervor.
Heucheln und Meucheln
Der neue Spielraum ist, insbesondere in diesem vierten Teil, auch ein Wortspiel-Raum. «Die Baumwipfel / treibens / mit den Wolken // Ein Flirt / von schleierhaftem Charme» heisst einer der listigen Verse, ein anderer sieht in «Heucheln und Meucheln» heimliche Verwandte. Jemand fragt, «ob es in Herzkammern / gemütliche Ecken gibt / fürs Stricken von Wollsocken», oder man lernt ungeahnte Künste wie «Scheinnähte hexenstickeln», «Südtangenten bereisen» und «Stoppelfelder anhimmeln». Was Brigitte Schmid-Gugler hier anrichtet, ist mit dem Titel eines weiteren Gedichts: «Wortgemachtes».
Ihre Wortfantasie macht auch vor den lieben Mitmenschen nicht halt. «Runterputzer» oder «Heimlichtuer» kommen an die Reihe, «Lümmeltüten» oder «Versprecher ihrer selbst», «Sternenstanzer», «Eckenschneider», «Querstreicher» und andere «Aberzähler», «Irrlichter» oder solche, denen schlicht «ihr Dasein peinlich» ist. Manchmal fühlt man sich, nicht unfreundlich, aber mit scharfem Blick mitgemeint.
Tage wie Eselsohren
Im Kapitel davor knicken Einzeiler ein – jeweils das letzte Wort fällt vertikal hinunter, mein Favorit sind die «Tage wie Eselsohren, umgeknickt am Blattrand», die der Abteilung auch den Titel geben. Je weiter vorn im Buch man dann ist, desto anspielungsreicher und vertrackter sind die Bilder, noch verstärkt durchs Schmids Flair für Wortraritäten wie «zirbengrüne» Bäume, «Hundsrosenfrüchte», «Flidhais» oder «Equiden»; Fremdlinge, auf die man sich beim Lesen einlassen und für die man eigene Kopfinnenbilder finden müsse, wie es im Vorwort heisst.
Brigitte Schmid-Gugler: Aller Liebe eigen, Gedichte, Klaus Isele Editor 2020, Fr. 34.90
Buchvernissage: Mi 25. November 19 Uhr, Raum für Literatur St.Gallen, Musik Marc Jenny. Wenige freie Plätze. Info und Anmeldung: schmid.brigitte@sunrise.ch
Durch die Gedichte spuken mystische Wesen, archaische Gestalten, düstere oder «mild gestimmte» Geister, die «scheinheiligen Engel», die «nach verdrifteter Saat» jagen, die «neunäugige Agathe», «Nachtkälber» und «Wolkenpferde» und «Fichtenschlängler»: All das findet man im «Tarngebirge» dieser Lyrik. Eine Türe öffnet sich ins «Nimmerbare», anderswo blüht eine «Nimmerblume», jemand will «des Andern Tier sein».
Lyrik sei Literatur zum «Kauen», schreibt Rainer Stöckli, der die Arbeit an den Texten begleitet und das Vorwort geschrieben hat – und hebt den Reichtum an «Sprachgebärden» hervor, dazwischen aber auch die Leichtigkeit wie ein Augenaufschlag. Es ist eine sprachmächtige und bildstarke, auch rätselhafte Gegend, in die uns Brigitte Schmid-Guglers Gedichte mitnehmen. Kostbar wie ein «Traumflaummond» oder andere nächtliche Fundstücke:
Und bring mir
Was Klitzekleines aus deinen Träumen mit
legs in die Apfelhurde oder
daneben zu den Rinden
Sacht gewickelt
in Seidenpapier
denn wer weiss
wie zerbrechlich es ist