keine Kommentare
Nacktsenfie trifft Essigburken
Zu Ruedi Widmers Fankreis gehöre mutmasslich auch «der nordkoreanische Alleinunterhalter Kim Jong-un». So steht es in der Ankündigung zur Lesung aus dem Buch «Widmers Weltausstellung» am Donnerstag im St.Galler Palace. Tatsächlich ist das Buch des Karikaturisten unglaublich lustig, nicht nur für Eierköpfe.

Vor Ruedi Widmers Kunst ist kein Wort und kein Ding sicher. Drahtlos schwirren nicht nur Daten, sondern schweben plötzlich auch Seilbahnen über uns hinweg. Und andere Sujets passen ebenfalls gut in die automatisierte und digitalisierte Zukunft.
Die selbstfahrend und selbstredend schöne neue Welt der Autos und Telefone lässt den Widmer’schen Menschen mit seiner altmodischen Nase und dem liebenswürdig-verschreckten Blick alt aussehen. Oder die «Automatisierung des Firmenbesitzers» – in Robotergestalt klärt der Patron die «lieben Angestellten» darüber auf, dass er das Geld jetzt nicht mehr brauche, das sie erwirtschaften. Und diese, ebenfalls nette kleine Roböterli, geben brav zurück: «Wir wissen auch nichts damit anzufangen.».
Ruedi Widmer: Widmers Weltausstellung, Rotpunktverlag 2018, Fr. 33.90.
Widmers Weltausstellung hält aber nicht nur in Sachen Digitalisierung, sondern auf allen erdenklichen anderen Gebieten der Gesellschaft den Spiegel vor. Das im Rotpunktverlag erschienene Buch versammelt auf rund 150 Seiten Karikaturen und Kolumnen von 2007 bis heute. Nichts ist vor Widmers gnadenlos lustigem Stift sicher. Bei ihm hat die Grippe von der Schwindellegi bis zur Influenzerheide die Schweiz im Würgegriff, Heizpilze protestieren gegen die Raucherbelastung, Windräder und AKWs drehen durch, Nacktsenfies begegnen Essigburken, der Veganer läuft einem Erdoganer über den Weg, das Erdöl geht aus in die Disco und die B-Post kommt per Kontinentalplattenverschiebung.
Buchpräsentation: Donnerstag, 8. November, 20:30 Uhr, Palace St.Gallen
Widmer dreht und wendet unseren Alltag bis zur Kenntlichkeit. «Es ist eine Welt wie unsere, nur ein bisschen komischer», schreibt der Verlag treffend. Und immer wieder im Visier des Woz-Zeichners: die Rechtspopulisten, die Dummheitsprediger, die Marktgläubigen, die Anpasser und Aufpasser.
Mit Widmer ist man ein bisschen besser gewappnet gegen die Anfechtungen einer Welt, die auch für optimistischste Widmerfiguren «nicht einfach» ist und wo auf Strassentafeln auch mal «Weiss-nicht-Weg» oder «Ojemine-Str.» steht. Für alle, die damit ihre Mühe haben und denen sein teils rabenschwarzer Witz politisch zu unkorrekt ist, zeichnet Widmer den Cartoon «An der Grenze der Satire». Vor dem Schlagbaum fragt ein Grenzer die Passanten: «Haben Sie Witze im Gepäck?» Besser, man hat keine dabei. Oder dann einen so hanebüchenen wie den von Ruedi Widmer, der hier nicht verraten sei.
Dieser Beitrag erschien im Aprilheft von Saiten.