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Papa Zeidler und der moderne Fussball
SENF – superglitzernde, einträgliche neue Fussballwelt: Am Donnerstag wurde im Bierhof die neuste Ausgabe des St.Galler Fussballmagazins gefeiert. Und FCSG-Trainer Peter Zeidler beantwortete geduldig alle Fragen der alternativen Pressekonferenz.

Bild: SENF
«4,5 Milliarden Pfund lässt sich die englische Premier League für die Fernsehrechte dreier Saisons überweisen», ist im Vorwort der jüngsten Ausgabe des Fussballmagazins SENF zu lesen. Die 100 Millionen Franken, die in der Schweiz im selben Zeitraum für die Übertragung ausbezahlt werden, seien äusserst bescheiden dagegen, dennoch steigen die Summen auch hierzulande.
Für die einen sei das ein natürlicher Entwicklungsprozess. Ihre Devise: Damit der Fussball besser werden kann, muss er wachsen. Für die anderen zeigten die immer grösser werdenden Summen, dass sich der Fussball von seiner Basis entferne. Dieses Lager sehe im «modernen Fussball» – er ist das Thema der 12. SENF-Ausgabe, quasi eine Vertiefung der 3. Nummer zum Thema «Geld im Spiel» – vor allem eine «von der Kommerzialisierung getriebene, nie endende Profitsucht».
Die Kommerzialisierungsspirale nimmt ihren Lauf
Was ist das überhaupt, «moderner Fussball». Dani Torgler geht diesem Begriff in seinem Beitrag nach. In der heutigen Lesart sei er in den 1980er-Jahren entstanden, als der Fussball wirtschaftlich immer bedeutender wurde, schreibt er. Mit der Globalisierung und der Liberalisierung der elektronischen Medien seien die Einnahmen aus den Übertragungsrechten gestiegen und neue kommerzielle Vermarktungsmöglichkeiten hinzugekommen. TV-Gelder, Merchandising und Catering haben das Publikum als Einnahmequelle abgelöst, die Kommerzialisierungsspirale nimmt ihren Lauf.
Was England mit dem modernen Fussball zu tun hat, erklärt Renato Schatz in seinem Beitrag. Curdin Capol beleuchtet die Rolle der alten und neuen Medien, den Entwicklungshelferinnen des geldgetriebenen Spiels, Nicole Selmer geht der Frage nach, inwiefern die Frauenligen von der Kommerzialisierung profitieren oder auch nicht, Remo Zollinger geht das Thema von der nüchternen Unternehmerperspektive an und Ruben Schönenberger unterhält sich mit FCSG-Präsident Matthias Hüppi und Event AG-Chef Ivo Forster über den Spagat zwischen Markenstrategie und Tradition.
Illustriert wurde die erhellende Nummer von Fabian Rietmann. Seine Retrobilder mit Retrobällen, Retrorätschen und Retroteigwaren bilden einen angenehmen Kontrast zum zeitgenössischen Inhalt des Hefts und erinnern an die Zeiten, als Fussball noch den Amateuren vorbehalten war, Red Bull sein Geld noch mit Getränken verdiente und man nicht mit dem Anpfiff warten musste, bis die Shopping Mall geschlossen war.
Enthüllt wurde der neue SENF am Donnerstagabend im Bierhof St.Gallen. Dass dieser ebenso prall gefüllt war wie das Heft, war zu erwarten nach der Partie vom letzten Sonntag. Es geht das Gerücht, einige hätten sich im allgemeinen Freudentaumel über den ersten Tabellenplatz so dermassen verausgabt, wie wenn der FC St.Gallen schon Meister wäre.
Lernen durch Nachmachen
Vermutlich auch deswegen hat die vorangegangene Autogrammstunde von Peter Zeidler etwas länger gedauert. Mit leichter Verspätung traf er im Bierhof ein, wo Jaan «Adrenalin» Schaller schon mit dem Mikrofon bewaffnet auf den Trainer und seine Einschätzungen zum «modernen Fussball» wartete.
Gesprächig, aber bescheiden wie man ihn kennt, gab Zeidler in dieser alternativen Pressekonferenz Auskunft. Etwa darüber, wie man neue Spielsysteme installiert: «Man muss von anderen abgucken, wie die Kinder von Mama und Papa.»
Diese Eltern-Metapher ploppte mehrmals auf im Gespräch. Von der guten Erziehung der Spieler war die Rede, vom Respektlernen gegenüber dem Schiri und davon, wie wichtig ein Lob zur richtigen Zeit ist. «Für alle Menschen.»
Papa Zeidler erklärte seine Welt, das Publikum folgte ihm mit leuchtenden Augen, klatschte artig Beifall und lachte an den richtigen Stellen. Zum Beispiel als er erklärte, warum er junge Spieler so schätzt, abgesehen vom Lernwillen und der besseren Regeneration. «Weil ihre Festplatten (Hirne) noch nicht total vermüllt sind.»
Das Publikum wollte vor allem Zeidlers Einschätzungen zur aktuellen Situation des Kaders und der Liga hören, die kritischeren Fragen stellte Schaller. Er sparte auch nicht mit Spitzen gegen den modernen Fussball, mehrmals fiel etwa das Stichwort Menschenhandel.
Auf die Frage, wie man denn nur Teil dieses Systems sein könne, hatte Zeidler eine schlagfertige Ablenkung parat: «Indem man Trainer des FC St.Gallen ist.» Dem Publikum gefiels natürlich, die Journalisten im Saal hätten besser nochmal nachgehakt.