keine Kommentare
Play that funky Music, Maltschik!
Die Wiler Band Maltschik setzen am Freitag mit der Plattentaufe zu ihrem zweiten Album Control einen Meilenstein ihrer Karriere. Das Gare de Lion ist dafür in vielerlei Hinsicht der perfekte Ort. von Pascal Moser

Zwei Geschwisterpaare und ein Drummer: Maltschik. (Bild: pd)
Kommt man nach Bazenheid, dem kleinen, ruhigen Ort im unteren Toggenburg, in dem Maltschik ihren Bandraum haben, ist das Geräusch vorbeifahrender Traktoren wahrscheinlicher als Funk-Musik. Doch gerade an diesem abgelegenen, aufgrund des hohen Migrant:innenanteils im Volksmund oft als «Bazedonien» bezeichneten Ort, haben die fünf ehemaligen Schulfreunde Luca Leonetti, Ella Hagmann, Simon Hagmann, Elia Grillo und Mattia Leonetti, die sich als bandgewordene Discokugel bezeichnen, ihre Retraite gefunden.
«Manche sagen, hier wohnen lauter Asis, aber es ist überhaupt nicht der Fall», sagt der Drummer Elia. «Es ist alles mega friedlich, es gibt ein gutes Zusammensein und wir schätzen das kleine Bazenheid als Friedensort.» Für die Aufnahme ihres Albums Control war der in Gehdistanz zum Bahnhof gelegene Bandraum perfekt. Er ist erstaunlich gut ausgestattet und bietet den benötigten kreativen Raum. Ausserdem können sie den Raum so oft und lange nutzen wie sie wollen. Er gehört dem Vater eines Bandmitglieds. An der Wand steht: «Wenn du es feierst, ist es Kunst. Wenn nicht, ist es keine.»
Tanzbar und «sehr maltschik»
Maltschik leitet sich aus dem Russischen ab und bedeutet so viel wie «kleiner Junge». Maltschik. Diesen Sound kann man auch am Freitag erwarten. «Es ist Disco-Pop, abseits des Mainstreams, nicht unbedingt das, was alle mögen», sagt Simon Hagmann, der neben dem Piano auch den Gesang übernimmt. Der Vibe käme aus den 70ern, bloss mit modernerem Arranging, poppigeren Melodien. Die Bandmitglieder nicken zustimmend, dann sagt Mattia Leonetti: «Eigentlich überhaupt nicht 70er-Disco». «Stimmt eigentlich», räumt Hagmann ein. Was es denn sei? Die Antwort kommt fast unisono: «Es ist sehr maltschik.»
Plattentaufe: 15. November, 20 Uhr, Gare de Lion, Wil. Support: Canda (CH), Afterparty by Dorotecha.
Die vier Songs, die bereits vorab erschienen sind, verbindet der seelenwärmende, man könnte fast sagen: sonnenaufgangshafte Synthesizer von Mattia Leonetti. Daneben liefern Luca Leonettis Gitarre und Simon Hagmanns Klavierspiel die melodische Vielfalt, während Elia Grillo an den Drums und Ella Hagmann am E-Bass für den typischen Funk-Groove sorgen.
Ganz besonders sticht der Song Alright hervor, in dem es darum geht, sich von Negativem loszureissen und auf sich allein gestellt zu sein. Das Alleinsein scheint der Moment zu sein, in dem alles plötzlich gut wird: «Breaking off to be on your own, that’s what you’re waiting for», heisst es etwa. Melodisch löst sich hier ein rau in die Tasten geschlagenes Piano, das zusammen mit dem Satz «left me alone with the devil inside» schon für Panik sorgen könnte, in einem lässigen Instrumentalspiel auf. Zum Schluss ist alles «Alright».
Am Schluss ist everything Alright.
Die Produktion des Albums hat Maltschik – nebst zweijähriger, harter Arbeit und viel Engagement – der Kulturförderpreis der Stadt Wil ermöglicht. Nun ist es fertig: Eine verspielte, sehr sphärische Mischung von Funk und Discopop. «Wichtig ist, dass es tanzbar ist», sind sich alle Bandmitglieder einig. Das Album soll bewegen, nicht wegen der Texte. «Wir haben lange daran gearbeitet, unseren eigenen Sound zu finden. Jetzt sind genug Songs entstanden, die wir alle echt gut finden.» Inhaltlich sehr divers, alle Titel sind einzeln entstanden. «Es ist kein Konzeptalbum. Wenn wir ein Konzept hätten, dann nur, dass es Spass machen soll.»
Dort, wo alles anfing
Die Band hat sich während der gemeinsamen Gymnasialzeit gegründet und besteht aus zwei Geschwisterpaaren und dem Drummer. Aber eigentlich seien sie alle Geschwister. Denn wer seit sieben Jahren zusammen Musik mache, kenne sich sehr gut, auch hier sind sich alle einig. «Wenn du alle Seiten einer Person kennenlernen willst, spiel mit ihr in einer Band. Man kann sich nicht verstecken, wenn es um die eigene Kunst geht.»
Als vor sechs Jahren ein Ostschweizer Kritiker nach einem Förderwettbewerb für Musiker einmal bedauerte, dass jungen Bands der Mut zum eigenen Sound fehlen würde, war Maltschik noch ganz jung. Mit dem zweiten Album beweisen sie, dass sie dazu imstande sind. Was sich über die Plattentaufe bereits heute sagen lässt: Vor lauter Funk wird sich selbst der grösste Tanzmuffel ein diskretes Mitwippen nicht verkneifen können.
Ja, die Bedeutung des Heimatbahnhofs ist für Dörfler:innen bekanntermassen gigantisch. Schliesslich verheissen die Gleise Aufbruch und Abenteuer, ohne sie ist man an Orten wie Bazenheid schnell aufgeschmissen. Auch deshalb steht der Wiler Kulturbahnhof Gare de Lion, in dem die Plattentaufe am 15. November stattfindet, wie kein zweiter Ort für den Sound von Maltschik. Nicht nur, weil die Band regelmässig durch die Ostschweiz tourt, sondern auch, weil ihr Album einer musikalischen Reise gleichkommt, die eben das bietet, was die Gleise versprechen: Frischen Wind.
Im Gare de Lion haben sie bereits in ihren Anfängen spielen können. Ein Heimspiel also, auf das sich die Band merklich freut. Nicht ganz klar ist allerdings, wohin die Reise von hier aus geht. Nach Beginn des Plattenverkaufs möchte die Band im Frühjahr so viele Bühnen wie möglich bespielen. Welche es genau sein werden, steht in den Sternen.
Am Rock am Weiher haben sie bereits gespielt, in der Grabenhalle auch. Nicht weit von hier findet das Openair St.Gallen statt. Ein Auftritt im Sittertobel wäre für die Band ein Traum. Mit dem Album haben sie sich diesem einen grossen Schritt nähergebracht.