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Reithalle und andere Plätze I: Raum braucht keine Wände
Kultur muss nicht überall kosten und nach Vodka riechen. Sie könnte sich lösen vom Standort und versuchen zu wandern – wenn wir es wagen, die Stadt neu zu träumen.

Die jüngste kulturpolitische Momentaufnahme des St.Galler Nachtlebens, der Film Little Mountain Village von Angelo Zehr und Matthias Fässler, hat es einmal mehr gezeigt: dass man mindestens einen Businessplan, drei Bewilligungen und fünf Türsteher braucht, um einen Sack Reis umfallen zu lassen, und dass Stadt und Kultur zum zahmen Pflaster sans liberté geworden sind. Eine Uferpromenade mit Putzdienst. Ohne Kotze, Kies und Schlaglöcher.
Was ist passiert? Kultur – was immer darunter auch verstanden wird – darf nicht nur sein, sie soll rentabel sein. Auch abseits von St.Gallen: Winterthur müsse auf die Vernetzung der kulturellen Teilmärkte setzen, fordert etwa eine ZHAW-Studie, um die wirtschaftlichen Potenziale effizienter zu nutzen. Mutmasslich auch das Nachtleben. Es müsste wohl leuchten und schillern, La Traviata singen und dabei wie M.I.A. klingen. Oder wie Techno. Kommerziell also, damit es keine bösen Überraschungen gibt, und weder Betrieb noch Publikum wertvolle Lebenszeit oder Geld verspekulieren. Das mag langweilig sein, ist aber okay.
Und jetzt die Reithalle. War mal versprochen, ja, klar. Aber was bringt uns eine Halle für 700 Leute aufwärts, ausser Ruhm, Rambazamba und Parkplatz-Bingo? Hoffentlich reizvolle Anlässe, dem hiesigen Nachtleben aber wohl eher Konkurrenz, noch einen Stall, der sich selbsttragen will… Wieso eigentlich? Damit die Bürgerlichen Ja stimmen? Damit das Programm möglichst frei und die Halle weit offen bleibt? Gerade dafür ist doch die Stadt gemacht; unsere Gassen, die Winkel und die Nischen, die Plätze, Parks und herzigen Tümpel. Sollen die anderen ihre Mehrzweckhallen füllen dürfen, und St.Gallen mal rauslocken.
Stationär denken ist sowas von 80ies. Wir haben doch Zukunft, die Stadt und viel Platz. Wieso sich noch binden? Kultur findet statt, auch ohne Sofa, Standort und fixe Idee. Sie findet eine Nische, ein Pärkli, eine Unterführung, oder eine alte Villa – nur muss es nicht ständig dieselbe sein. Man könnte auch gutwillig weiterziehen, der nächsten Gasse gut Nacht sagen und ein Bier zurücklassen für Freunde und Helfer. St.Gallen needs kältere Schnauzen. Solche, die weg sind, bevor nach Müllkonzept, Sicherheit und nächtlicher Ruhe verlangt wird. Solche, die sich davon nicht am Träumen hindern lassen. Und hoffentlich damit die Stadt infizieren.
aber ein Dach ist in der Ostschweiz meist ganz nützlich….