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Stadtparlament: Doch kein Rechtsrutsch
Die ersten Berichte und Analysen zur St.Galler Stadtparlamentswahl sind Makulatur. Das am Sonntag kommunizierte Wahlresultat war falsch. Wichtigste Korrektur: Mitte-Links gibt im Parlament auch für die nächsten vier Jahre den Ton an. Ursache für den Fehler ist menschliches Versagen. Wahlmanipulation schliessen die Verantwortlichen aus.

Ein Saal voller Medienschaffender: Das Interesse an der Orientierung über die Korrektur des St.Galler Wahlresultats war am Montagabend überaus gross. (Bild: vre)
Das Resultat der St.Galler Stadtparlamentswahlen überraschte am Sonntagabend alle. Die FDP habe um vier Sitze und die SVP um ein Mandat zugelegt, hiess es im Wahlzentrum in der Jugendbeiz Talhof. Verlierer:innen waren demnach die SP (-2), die Grünliberalen (-2) und die Grünen (-1).
Dieses Resultat hätte eine Umkehr der Mehrheitsverhältnisse im Parlament bedeutet: Die Bürgerlichen hätten damit 33, Linksgrüne und Grünliberale noch 30 Sitze gehalten. Nach acht Jahren wäre das «linke» Parlament wieder «bürgerlich» geworden.
Hätte und wäre. In Tat und Wahrheit war das am Sonntag verkündete Resultat schlicht falsch. Die SP verliert keine Sitze, sondern kommt zusammen mit den Juso weiterhin auf 18 Mandate. SVP (+2) und Mitte (+1) legen zu. FDP, Grüne und Grünliberale/Junge Grünliberale verlieren je einen Sitz. Die drei bürgerlichen Fraktionen kommen damit in der Amtszeit 2025 bis 2028 auf 30, die Kräfte links der Mitte verfügen zusammen über 33 Sitze. Spannen Letztere bei Abstimmungen zusammen, haben sie wie schon in den vergangenen acht Jahren eine Mehrheit.
Ein Resultat entgegen jedem Trend
Die Ursache fürs Wahlchaos ist inzwischen klar: Ein Fehler in einer Formel einer Excel-Tabelle hatte am Sonntag dazu geführt, dass der FDP 2’507 statt 1’170 unveränderte Wahlzettel gutgeschrieben wurden. Damit erhielt die Partei 84’231 Listenstimmen zu viel, was sich natürlich auf die Sitzverteilung auswirkte und das phänomenale, gegen jeden Trend sprechende Abschneiden der Partei erklärt.
Die Überraschung darüber war am Sonntagabend in der Jugendbeiz Talhof gross – nicht zuletzt bei den Vertreter:innen der FDP selber. Zwar fielen einzelnen Anwesenden die teils ungewöhnliche Zahlen auf, insbesondere der rekordhohe Stimmenanteil der FDP. Offen hinterfragt wurde das Resultat aber von niemandem.
Man vertraute auf das bisher immer zuverlässig funktionierende Stimmbüro der Stadt. Dessen Präsident ist von Amtes wegen der städtische Rechtskonsulent Andreas Vögeli. Auch ihm waren die Zahlen des sonntäglichen Wahlresultats nicht ganz geheuer. Aufgrund eines Bauchgefühls ordnete er am Montagmorgen eine Nachkontrolle an.
Rechtskonsulent übernimmt Verantwortung
Das Resultat wurde am Montagabend an einer kurzfristig anberaumten Medienkonferenz im Freudenbergsaal im St.Galler Rathaus präsentiert. Eine Stunde zuvor waren schon der Stadtrat und die Parteipräsident:innen informiert worden.
Man sei rasch über die hohe Zahl unveränderter Listen für die FDP gestolpert, schilderte Andreas Vögeli vor den zahlreich aufmarschierten Medienschaffenden, was am Montagmorgen geschehen war. Die Nachzählung, die zwischen 60 und 90 Minuten in Anspruch genommen habe, ergab, dass es «bei der manuellen Erfassung der Zahl unveränderter Wahlzettel» der FDP zu einem Fehler gekommen war.
Nachdem der Fehler bereinigt worden war, wurde die Sitzverteilung nochmals durchgerechnet. Der Fehler vom Sonntagabend ist gemäss Andreas Vögeli «auf menschliches Versagen» zurückzuführen. Den Versuch der absichtlichen Wahlmanipulation schlossen die Verantwortlichen auf entsprechende Medienfragen hin ausdrücklich aus.
Die Verantwortung für den Fehler übernahm Andreas Vögeli: Es sei gemäss Reglement seine Aufgabe, die ordnungsgemässe Durchführung von Urnengängen sicherzustellen, hielt er vor den Medien fest.
Kontrolle wäre schon am Sonntag nötig gewesen
Der Präsident des Stimmbüros gab sich vor den Medien selbstkritisch: Die Zahl der unveränderten Stimmzettel sei gegenüber früheren Wahlen gross. Aufgrund dessen hätte man die Nachkontrolle bereits am Sonntag durchführen müssen.
Das Wahlresultat hätte in der schliesslich kommunizierten Form aufgrund der offensichtlichen Differenzen nicht validiert werden dürfen, so Vögeli. Müdigkeit und nachlassende Konzentration, Zeitdruck und die Erwartungshaltung jener, die mit Spannung auf das Resultat warten, entschuldigten nicht, dass die Kontrolle nicht durchgeführt worden sei.
Erste Lehren aus dem fehlerhaften Wahlresultat vom Sonntag hat das Stimmbüro bereits gezogen. So soll künftig statt des bisherigen Vier-Augen- neu das Acht-Augen-Prinzip bei der manuellen Eingabe der Zahl unveränderter Stimmzettel gelten. Und es werden organisatorische Anpassungen bei den Ablösungen des neun bis zehn Personen zählenden Ausschusses des Stimmbüro getroffen.
Man werde ganz sicher alles tun, um eine Wiederholung eines solchen Fehlers zu vermeiden, versprach in Stellungnahmen gegenüber den Medien auch Stadtpräsidentin Maria Pappa.
Ein Programm, das Auffälligkeiten meldet
Das falsche Wahlresultat dürfte auch im Gremium, das davon betroffen war, noch zu reden geben. In einer ersten Medienmitteilung vom Montag regten beispielsweise die Grünliberalen an, künftig auch in der Stadt eine Software zur Plausibilitätskontrolle von Wahlresultaten einzusetzen.
Solche Programme checken Resultate auf auffällige Abweichungen ab und machen auf diese aufmerksam. Der Kanton St.Gallen und andere Gemeinwesen setzen die entsprechende Software bereits ein. Die Stadt St.Gallen sollte diesen Schritt nach Meinung der Grünliberalen ebenfalls prüfen.