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«Ja, aber» zur Bibliotheksinitiative
Die über 10000 Unterschriften für die St.Galler Bibliotheksinitiative haben Eindruck gemacht: Kanton und Stadt packen das Thema jetzt gemeinsam an und stellen der Initiative einen Gegenvorschlag gegenüber, der deren wesentliche Anliegen aufnimmt. Am Freitagmorgen stellten Regierungsrat Martin Klöti, Stadtpräsident Thomas Scheitlin und Amtsleiterin Katrin Meier den Entwurf für ein neues Bibliotheksgesetz vor und präzisierten die […]

Die über 10000 Unterschriften für die St.Galler Bibliotheksinitiative haben Eindruck gemacht: Kanton und Stadt packen das Thema jetzt gemeinsam an und stellen der Initiative einen Gegenvorschlag gegenüber, der deren wesentliche Anliegen aufnimmt. Am Freitagmorgen stellten Regierungsrat Martin Klöti, Stadtpräsident Thomas Scheitlin und Amtsleiterin Katrin Meier den Entwurf für ein neues Bibliotheksgesetz vor und präzisierten die Pläne für ein Bibliotheksprovisorium in der Hauptpost.
Die Stadt zahlt mehr
«Subsidiarität» ist das Stichwort – das schöne Wort umschreibt die Aufgabenteilung zwischen Kanton und Gemeinden, oder gradeaus: wer wie viel zu sagen und zu zahlen hat. Bibliotheken sind grundsätzlich Sache der Gemeinden; die Bibliotheksinitiative verlangte hingegen, der Kanton solle eine moderne Publikumsbibliothek installieren und führen. Im Gegenvorschlag, der jetzt vor den Kantonsrat kommt, heisst es im Unterschied dazu: Kanton und Stadt errichten und führen die Publikumsbibliothek gemeinsam. Das Anliegen der Initianten wird damit nicht geschwächt, sondern eher noch gestärkt. Gingen sie von einem städtischen Kostenanteil von «mindestens einem Viertel» aus, so wird mit dem Gesetz dieser Anteil laut Stadtpräsident Scheitlin «entschieden höher» ausfallen und rund ein Drittel der Kosten betragen.
Aufgenommen wird auch die zweite Stossrichtung der Initiative: die Bibliotheken auf dem Land zu stärken. Das Gesetz spricht von einer kantonalen Bibliotheksstrategie, bei der die Gemeinden weiterhin für ihre Bibliotheken zuständig sind, der Kanton aber Koordination, Vernetzung, Schulung, technischen Support usw. übernimmt. Und sich darum kümmert, dass es nicht wie bisher bibliothekarisch unterversorgte Regionen gibt. Heute hat gut die Hälfte aller 85 Gemeinden eine Bibliothek – weisse Flecken gibt es aber noch rund um den Kanton.
Für mündige Bürgerinnen und Bürger
Worin sich Initianten und Regierung einig sind: Die Bibliothek ist kein Auslaufmodell, im Gegenteil. Der Staat will mündige Bürgerinnen und Bürger, und Mündigkeit setzt Zugang zu Wissen und einen schlauen Umgang mit Information voraus. «In der modernen Wissensgesellschaft wird ein für die ganze Bevölkerung zugängliches Bibliothekswesen immer bedeutender», sagte Katrin Meier. Das beweist die steigende Zahl von Ausleihen, wobei es längst nicht mehr nur um Bücher, sondern um Medien aller Art geht. Und um Austausch: Die moderne Bibliothek ist gesellig, man trifft sich, man informiert sich und arbeitet hier – und genau in dieser Hinsicht hat die Kantonsbibliothek Vadiana ihr grösstes Defizit: Ihre Bücher muss man am Schalter bestellen, es gibt kein Freihandsystem und zuwenig Lese- und Arbeitsplätze.
Vadiana und Freihandbibliothek sollen deshalb möglichst rasch, schon Ende 2013, in die St.Galler Hauptpost als Provisorium einziehen. Eine Lösung, die zumindest die nächsten zehn Jahre funktionieren soll – denn auch bescheidener ausgestattet, wird die künftige Kantons- und Stadtbibliothek rund 70 Millionen Franken kosten, rechnet Klöti. Zu viel in Sparzeiten wie den heutigen.
Und die Initianten? In einer ersten Stellungnahme äussert sich das Initiativkomitee zufrieden über den Gesetzesentwurf. Er liege nicht weit von der Initiative und zeige, «dass die Regierung die Probleme und Defizite im st.gallischen Bibliothekswesen erkannt hat».
[…] Die Politik sah leider nur die Kosten und nicht die Chancen, den Nutzen und auch das damit verbundene Prestige für St. Gallen. Sie schickte die neue, modellhafte Bibliothek St. Gallen nach jahrelangen Vorarbeiten aus Spargründen 2011 bachab. Die Empörung in der Fachwelt und in der Bevölkerung war gross, in kürzester Zeit wurden über 10’000 Unterschriften für eine Bibliotheksinitiative gesammelt, die die Bibliotheksförderung gesetzlich verankern wollte. Als Reaktion darauf erstellte der Kantonsrat ein Bibliotheksgesetz, das mit einigen Abstrichen, 2012 vom Parlament genehmigt wurde.1 Schliesslich trat das Kantons-und Stadtparlament auf den Vorschlag ein, ein Provisorium in der Hauptpost zu errichten, das zumindest wenige Teile des ursprünglichen Konzeptes beinhalten sollte. Die anfänglich auf Ende 2013 geplante Eröffnung wurde mehrmals verschoben. 2014 soll es nun soweit sein. Doch trotz der Vorteile, die das Provisorium hat, wir es leider die ursprüngliche Idee einer modernen, innovativen Bibliothek nicht ersetzen können. Und leider ist auch nicht zu erwarten, dass diese ursprüngliche Idee in den nächsten zehn Jahren in St. Gallen wieder zum Thema wird. 1 Peter Surber, in: Saiten. 06.07.2012, online unter: http://www.saiten.ch/ja-aber-zur-bibliotheksinitiative/ […]