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Jungspund: Theaterfestival für alle Generationen
St.Gallen wird wieder zur Bühne von Theaterproduktionen für junges und junggebliebenes Publikum: Zum vierten Mal findet ab dem 29. Februar das Theaterfestival Jungspund statt. Eine Vorschau auf zehn Tage Spektakel, Austausch und Experimente.

Das Tanzstück Sei kein Mann hinterfragt verkrustete Rollenbilder. (Bild: Yoshiko Kusano)
Schon bald kreisen auf dem Vorplatz der Lokremise verspielte Drehereien. Die unübersehbare Holzinstallation des Kollektivs Hochhinaus fehlt auch bei der vierten Ausgabe des Jungspund-Festivals nicht. Doch bereits drei Tage vor deren Vernissage am Sonntagnachmittag beginnt das Festival mit einem inspirierenden Plädoyer für das Experiment. Die Genfer Gruppe Old Masters eröffnet am Donnerstag mit ihrem Stück Das Haus meines Geistes das diesjährige Jungspund-Festival.
Die Geschichte lädt zum Umdenken ein. Jonathan entdeckt darin gemeinsam mit Kim, Klöb und Mauro Gegenstände zum Zweckentfremden. Warum die Dinge, die uns umgeben, nicht einfach mal anders nutzen? «Es geht darum, an die eigene Kreativität zu glauben und Ideen zu vertrauen», sagt Gabi Bernetta, Leiterin und Initiantin des Festivals.

Das Haus meines Geistes wurde vor knapp zwei Jahren zum ersten Mal in Genf mit dem französischen Titel La Maison de mon esprit aufgeführt. (Bild: Julie Masson)
Ausprobieren lautet die Devise. Dieser soll auch auf dem Kunstwerkplatz im Lattich gefolgt werden. «Dort kann beispielsweise nach einer Vorstellung das Erlebte auf eine kreative Art reflektiert werden», erzählt Bernetta. Sie hat eine langjährige Erfahrung mit Produktionen für junges Publikum. Das Jungspund richte sich aber an alle Generationen, die Altersbeschränkungen seien ja auch nur nach unten und nie nach oben gemeint, betont sie.
Theaterfestival Jungspund: 29. Februar bis 9. März, Lokremise, Figurentheater und Raum für Literatur St.Gallen
Tickets und Programm: jungspund.ch
«Was mich immer freut am jungen Theater, ist, dass Kinder aus allen Bevölkerungsschichten mit dieser Kunstform in Kontakt kommen.» Auch dieses Jahr besuchen viele Schulklassen die Vorstellungen in der Lokremise und im Figurentheater. Reaktionen aus jungem Publikum seien immer unmittelbar, direkt und ehrlich. «Erwachsene halten sich mehr zurück, während bei Kindern und Jugendlichen schnell klar ist, ob es anklingt oder langweilt», so Bernetta.
Neue Rollenbilder entwerfen
Drei der zwölf Produktionen setzen sich mit Männlichkeiten auseinander. Der Schwerpunkt war zwar nicht geplant, doch offenbar ist es ein Thema, das bewegt. Im Stück Sei kein Mann des Berner Kollektivs F hinterfragen drei Tänzer das verkrustete Rollenbild der Männer. Mehr kooperieren, tanzen, zuhören und Gefühle zeigen ist ihre Antwort auf toxische und fragile Männlichkeit.
Die Produktion Stereotypen – from zero to hero des Teatro Lata aus Zürich zeigt, wie eine Überwindung von ebendiesem Rollenbild gelingen kann: Mit Mut, Neugier, Vertrauen – und mit Musik. Das brisante Stück Souhung beleuchtet das Thema poetisch mit einer verhängnisvollen, schwulen Liebesgeschichte. Das Drama basiert auf Martin Franks Kultroman Ter Fögi ische Souhung aus den 1970er-Jahren. In den 90er-Jahren wurde die Geschichte erfolgreich verfilmt. Nun bringt sie Schauspieler Max Gnant auf die Bühne.
Am letzten Festivaltag erzählen gleich zwei Produktionen die Geschichten aussergewöhnlicher Mädchen. Da ist zum einen die wilde und wundervoll widerborstige Griselda, die sich gegen die Zwänge adultistischer Strukturen wehrt, zu sehen im Stück Greuliche Griselda des Vorstadttheater Basel. Zum anderen tanzt die Schülerin Lena im Stück Spring doch der Schaffhauser Theatergruppe Kumpane zwischen zwölf Wasserkanistern und Kommentaren von ihren Mitschüler:innen. Die Performance untersucht das Alleinsein und wie darin auch Mut gefunden werden kann.
Diskussionen über KI, Vielsprachigkeit und Richtlöhne
Wie immer finden sich im Programm auch Workshops, Gesprächsreihen oder Konzerte. So findet am 8. März das Symposium «Theater für junges Publikum in einem vielsprachigen Land» statt. Während im Theater für Erwachsene das Touren über Sprachgrenzen hinweg üblicher ist, gilt es im Theater für jüngeres Publikum Möglichkeiten dafür zu entwickeln, denn Übertitelungen ergeben dort wenig Sinn.
Es geht dabei nicht nur um die vier Landessprachen, sondern auch um die vielen anderen gesprochenen Sprachen in der Schweiz. Bernetta freut sich auf spannende Diskussion und mögliche Lösungsansätze: «Aus Arbeitsgruppen mit Menschen aus dem Tessin oder der Romandie höre ich von neuen Umgangsformen in englisch oder davon, dass alle ihre Erstsprache sprechen und man sich trotzdem versteht.»
Neue Wege suchen die Kulturschaffenden auch im Umgang mit künstlicher Intelligenz (KI) oder mit der Berechnung der Honorierung. Darüber diskutieren die Besuchenden an den beiden Wochenenden im Raum für Literatur.