, 5. September 2017
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Vermisst: die Jugend

«Vermisst: Andri Bösch»: In der Nacht auf Dienstag sind solche Plakätchen in St.Georgen aufgetaucht. Wild geklebt mit der Doppelbotschaft, den Juso-Stadtratskandidaten zu wählen. Und um den öffentlichen (Plakat-)Raum für alle zu kämpfen.

«Kätzchen vermisst»: So sieht das Plakat auf den ersten Blick aus. Es geht aber, auf den zweiten Blick, nicht um entlaufene Viecher, sondern um die fehlende Jugend in der St.Galler Exekutive: «Der Stadtrat St.Gallen vermisst dringend sein einziges Mitglied unter 45!» Sein Name, laut Plakat: Andri Bösch, seine besonderen Kennzeichen: «ausgeprägter Gerechtigkeitssinn und viele radikale Visionen für eine lebendige und soziale Stadt».

Falls man seinerseits «den Wunsch nach einem autofreien St.Gallen ohne Wegweisungen und mit Platz für alle» habe und den Gesuchten auf dem Wahlzettel für den 24. September entdecke, solle man ihn wählen, schliesst der Plakataufruf. Und nicht zu vergessen: der vermisste Andri sei stubenrein.

Juristisch nicht ganz stubenrein ist allerdings die Aktion selber. «Wildes» Plakatieren ist in der Stadt nicht erlaubt. Die Plakate tauchten immerhin nicht an privaten Objekten auf, sondern auf quasi öffentlichem Raum: an Bushaltestellen, Stromkästen und ähnlichem. Und so rasch wie sie offensichtlich geklebt worden waren, so schnell waren viele am Morgen auch wieder weg.

Der «Vermisste», Juso-Kandidat Andri Bösch, ist als Auskunftsperson auf dem Plakat genannt. Er sieht das Thema grundsätzlich: «Wer Geld hat, kann sich Öffentlichkeit kaufen.» CVP-Kandidat Boris Tschirky sei auf Werbeflächen der Plakatgesellschaft APG omnipräsent – wer hingegen nicht über entsprechende Mittel verfüge, sei davon ausgeschlossen, sich öffentlich präsentieren zu können. «Die, die kein Geld haben, haben keine Stimme.»

Die Stadt müsste deshalb Plakatflächen paritätisch für alle Kandidierenden zur Verfügung stellen, fordert Bösch. Seine Partei habe kein Geld für bezahlten Plakatplatz – deshalb sei die anonyme, aber über die sozialen Medien propagierte Aktion, Plakate auszudrucken und privat zu kleben, zu begrüssen.

2015/16 hatte der Fall der Kundgebung «Smash Little-WEF» gegen das HSG-Symposium Aufsehen erregt, für die im Vorfeld plakatiert worden war. Der als Veranstalter genannte Tim Rüdiger musste sich dafür vor Kreisgericht verantworten wegen unbewilligter Plakatierung, inklusive anderthalbtausend Franken Busse für die Entfernung der Plakate und Reinigungsarbeiten. Rüdiger wurde schliesslich freigesprochen, weil ihm keine Straftat zu Last gelegt werden konnte.

Die Demonstranten argumentierten damals ähnlich demokratiepolitisch wie heute Bösch: dass durch ein solches Verbot «Personen, die gerade auf solche öffentlichen Versammlungen besonders angewiesen sind, da sie nicht über die Mittel verfügen, um mit teuren Werbekampagnen auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen, die Wahrnehmung ihrer Freiheitsrechte verwehrt» würden. «Das bürgerliche Versprechen, dass in der heutigen Demokratie alle gleichermassen ihre Meinung äussern können, verkommt im Kapitalismus mit seinen Eigentums- und Machtverhältnissen zur Farce.»

 

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