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Rechte Rede entlarven
Die Genderforscherin und Soziologin Franziska Schutzbach hat ein Buch über die Rhetorik der Rechten geschrieben, zu deren zentralen Elementen auch «Antifeminismus» und «Anti-Gender» gehören. Am Dienstagabend ist sie an der erfreulichen Universität im Palace St.Gallen zu Gast.

Franziska Schutzbach.
Meinungsvielfalt ist ein zweischneidiges Schwert. Die Grenzen des Sag- und Denkbaren haben sich in die falsche Richtung verschoben, reaktionäre «Meinungen» werden wieder salonfähig gemacht, zukunftsorientierte Stimmen als «politisch korrekt» verhöhnt oder als «Minderheitenterror» angeprangert. Als wäre es irgendwie revolutionär, sich als «politisch inkorrekt» oder «Schlechtmensch» zu vermarkten.
Nebst der Frage, was man als progressive Person oder Organisation anders bzw. besser machen könnte, drängt sich auch die Frage auf, warum den vergangenheitsbesoffenen Rechten heutzutage überhaupt so viel Gehör geschenkt wird, welche Systematik dahintersteckt, welche rhetorischen Strategien, welche Denkfiguren. Die Geschlechterforscherin und Soziologin Franziska Schutzbach geht ebendiesen Fragen in ihrem kürzlich beim Xanthippe-Verlag erschienenen Buch Die Rhetorik der Rechten – Rechtspopulistische Diskursstrategien im Überblick nach.
Verschleiern und Grenzen verwischen
Das 144 Seiten dünne Sachbuch ist unterteilt in die Kapitel «Einleitung», «Hintergrund», «Rechtspopulistische Diskursstrategien im Überblick» und «Ausblick und Gegenstrategien». Schutzbach will, basierend auf aktueller Forschung und diversen Beispielen aus Europa und den USA, die rechtspopulistische Kommunikation differenziert und verständlich beleuchten. Das ist ihr gelungen. Sie zeigt einigermassen kompakt auf, was man bisher eher diffus wahrgenommen hat, aber nicht so systematisch in Worte fassen konnte.
Zentrales Element: Verschleierungstaktiken. Rechte Rhetorik zielt darauf, die Grenzen zwischen konservativen, liberalen und nationalistischen Positionen zu verwischen und extreme «Meinungen» zu tarnen. Das gelingt unter anderem, indem mit eigentlich lohnenden Werten wie Meinungsfreiheit und Selbstbestimmung kokettiert wird, um sich bei der bürgerlichen Mitte anzubiedern. So kann sich auch diese radikalisieren, ohne als rechtsextrem wahrgenommen zu werden.
Zur Veranschaulichung hat Schutzbach 20 zentrale rechtspopulistische Diskursstrategien aufgelistet und beschrieben – ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Dazu gehören zum Beispiel «Emotionen statt Argumente», die «Aufhebung von Links-Rechts-Schematas», «Antiparlamentarismus», «Antifeminismus und Anti-Gender als gemeinsamer Nenner», «Ethnopluralismus anstelle von Rassismus», «Wissenschaftsfeindlichkeit» oder auch die «Rechte Kulturrevolution».
«Wir hier unten» gegen «die da oben»
Auch der Kampf «des Volkes» gegen «die Eliten» wird im Buch thematisiert. Rechtspopulistische Rhetorik gebe vor, die Interessen des «einfachen Volkes» gegenüber «den Eliten» oder «dem Establishment» zu vertreten, schreibt Schutzbach. Dabei werde eine homogene Vorstellung von «Volk» geltend gemacht, doch anders als im linken Populismus werde im rechten Populismus «das Volk meist exklusiv definiert – es geht hier nicht um die ‹kleinen Leute› im Allgemeinen, sondern nur um die ‹eigenen Leute›.»
Ziel dieser Abgrenzungsrhetorik sei es, für sich selbst einen Aussenseiterstatus zu etablieren und so «zu FürsprecherInnen der kleinen Leute zu werden – auch wenn sie in Wahrheit mehr auf Wahlerfolge und Positionen im Staatsapparat aus sind, als sich für realpolitische Massnahmen zugunsten ihrer WählerInnen einzusetzen». «In der Schweiz schafft die SVP den Spagat, gleichzeitig Oppositionspopulismus zu betreiben und Regierungspartei zu sein, ja sogar wählerInnenstärkste Partei.»
In Punkt drei zum Thema Ethnopluralismus erklärt Schutzbach, wie sich Rechte vom klassischen, biologistischen Rassismus distanzieren und sich stattdessen auf scheinbar unverdächtige Konzepte wie «kulturelle Identität» berufen: «Statt von verschiedenen ‹Rassen› spricht man von verschiedenen Völkern. Die Kernthese lautet, dass Völker unveränderliche Eigenschaften hätten, deren Erhaltung ein Wert an sich sei, ein Wert, der sich aufgrund von Migration und Globalisierung in Gefahr befände. Mit diesem Wert lassen sich letztlich Ausschluss und Diskriminierung rechtfertigen. Im Kern handelt es sich beim Ethnopluralismus also um eine Variation von Rassismus.»
Vortrag und Diskussion mit Franziska Schutzbach:
26. Februar, 20:15 Uhr, Palace St.Gallen
Manifest zum Frauenstreik, Teil 2 mit Tove Soiland:
5. März, 20:15 Uhr, Palace St.Gallen
Der Kampf um das Meinungsmonopol
Aufschlussreich ist auch das Kapitel über die «rechte Kulturrevolution». Es tobt ein Kampf um die Deutungshoheit, geführt mit Gewaltsausdrücken wie «Lügenpresse», «Feminazis» oder «Gender-Gaga». Im Anschluss an den marxistischen Theoretiker Antonio Gramsci formulierten rechtsintellektuelle Denker das Ziel, «zunächst einen Kampf um das Monopol der öffentlichen Meinung zu führen», schreibt Schutzbach, um dann, in einem zweiten Schritt, an die politische Macht zu kommen. Vor dem feuchten Traum der «Machtübernahme» muss man demnach zuerst das Denken der Leute zu verändern.
Das versuchen Rechte auch, wenn es um Geschlechterverhältnisse und um Fragen der Sexualität geht. Kaum ein Weg bleibt unbegangen, um die heteronormativ verkrustete Weltordnung zu verteidigen. Mit den intimen Themen Geschlecht, Sexualität und Abtreibung lassen sich emotionalisierte Zuspitzungen erzielen, auf die sich sehr verschiedene Lager einigen können, schreibt Schutzbach zum gemeinsamen Nenner «Antifeminismus und Anti-Gender». Deren liebste Reizwörter: «Krise der Männer», «Gleichschaltung», «Homo- und Transsexualisierung» und «Frühsexualisierung».
Da die offensive Infragestellung von Gleichheit oder gar die Behauptung, Frauen seien minderwertig, politisch nicht mehr mehrheitsfähig sei, gewinne die Betonung von «natürlichen Geschlechterdifferenzen» wieder an Bedeutung, sagt Schutzbach. Hier zeige sich eine Verschiebung vom klassischen Antifeminismus zur Anti-Gender Rhetorik: «Der Feminismus, der bislang die Zielscheibe von Angriffen war, wird auf eine leicht verdauliche liberale Form reduziert und in dieser harmlosen Variante sogar zu einem bedeutsamen gesellschaftlichen Entwicklungsschritt stilisiert – oder zumindest als geringeres Übel angesehen.» Und alles, was darüber hinaus geht, kann somit als «aus dem Ruder gelaufener Feminismus», als «Umerziehung» oder «Gleichschaltung» abgekanzelt werden.
Zum Schluss präsentiert Schutzbach ein paar Gegenstrategien und Handlungsmöglichkeiten gegen den Rechtsruck. Ein eher knappes und auch nicht abschliessendes Kapitel, wie sie selber sagt. Ihre Hoffnung sei es, «dass diese Ideen von den LeserInnen ergänzt werden – in der Theorie, aber vor allem in der Praxis». Diskussionspotenzial gibt es jedenfalls genug auf diesen 144 Seiten, und einen passenden Ort dafür auch: am Dienstagabend liest Franziska Schutzbach im Rahmen der erfreulichen Universität im Palace St.Gallen.