, 29. Juni 2012
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Angeklagter verpasste den Verknastungs-Apero

Es wird ausgeläutet! – am Mittwoch, 28. Juni 2012 in Arbon. Nach 70 Jahren Rechtsprechung im alten turmartigen Rathaus aus dem 13. Jahrhundert an der südwestlichen Ecke der ehemaligen Stadtmauer verabschiedet sich das Bezirksgericht aus dieser ehrwürdigen Location und eröffnet der näheren und weiteren Umgebung diesen letztinstanzlichen, nicht rekurierbaren Entscheid mittels Läuten des Glöckleins im […]

70 Jahre tagte hier im alten Rathaus das Bezirksgericht Arbon. 1994 brannte das bauliche Wahrzeichen wegen eines zeuselnden Schülers ab und wurde für 3,5 Millionen Franken wieder aufgebaut.

Es wird ausgeläutet! – am Mittwoch, 28. Juni 2012 in Arbon. Nach 70 Jahren Rechtsprechung im alten turmartigen Rathaus aus dem 13. Jahrhundert an der südwestlichen Ecke der ehemaligen Stadtmauer verabschiedet sich das Bezirksgericht aus dieser ehrwürdigen Location und eröffnet der näheren und weiteren Umgebung diesen letztinstanzlichen, nicht rekurierbaren Entscheid mittels Läuten des Glöckleins im Dachgebälk. Die fakultative amtliche Handlung nimmt der gegenwärtige Sommer-Praktikant am Gericht durch heftiges Ziehen am Glockenriemen  vor.

Weil der Glockenruf aber nicht betriebsüblich sei an seinem Gericht, habe er die Polizei und die Feuerwehr vororientiert, nicht dass diese mit Maschinenpistolen und Spritzenwagen anrücken würden, in der Annnahme, es täten sich schlimme Dinge, sagt Bezirksgerichtspräsident Ralph Zanoni beschwichtigend zu den Gästen, die als Vertreterinnen und Vertreter der Stadt Arbon und des Kantons Thurgau dem Gerichtsschliessungszeremoniell beiwohnen.

Nur die für den Anlass eingeplante Hauptperson ist nicht erschienen: Ein Angeklagter, dem rund 60 Strafttaten angelastet werden, hauptsächlich aus den Kategorien Vermögens-, Strassenverkehrs- und Betäubungsmitteldelikte. Schliesslich will man die Gerichtstätigkeit an der Rathausgasse 1 nicht mit einem Bagatellfall zu Ende bringen. Die letzte Verhandlung soll schon etwas herzeigen.

Der Schwerenöter, für den Staatsanwalt Riquet Heller eine unbedingte Freiheitsstrafe zwischen 36 und 42 Monaten fordert, hat sich – wohl im Hinblick auf seinen Verhandlungstermin – aus dem vorzeitig angetretenen Strafvollzug verabschiedet. Dabei wusste er überhaupt nicht, welchen Ehrenauftritt er gehabt hätte, wäre er in Arbon erschienen. Nach der Verknastung hätte er am Gerichtsschliessungs-Apero teilnehmen dürfen. Und vielleicht wäre er sogar mit einem Ständchen bei seinem Eintritt ins Gericht empfangen worden. Der Staatsanwalt will es jedenfalls nicht ganz ausschliessen. Ein Trompeten-Duo ist eh zugegen, zur Feier des letzten Gerichtstages an der Rathausgasse 1.

Der Staatsanwalt meint, dass der Angeklagte vielleicht doch noch zu der jetzt verpassten Beachtung kommen könne, später, beim zweiten Verhandlungstermin. An diesem letzten Gerichtstag im alten Rathaus zu Arbon wird ein zweiter Verhandlungstermin angesetzt. Das ist der letzte Rechtsbeschluss, der im alten Rathaus ergeht. Die Polizei wird den Mann bestimmt bis nach den Gerichtsferien wieder einbringen, ist der Staatsanwalt überzeugt. Dann könne mit ihm sogar die erste Verhandlung am neuen Ort des Bezirksgerichtes erfolgen, was ja auch irgendwie feierlich abgehen müsse. – Der Verteidiger macht Hoffnungen, dass es auch so geschehen wird. Sein Mandant sei charakterlich zwar nicht gefestigt, aber destruktiv sei er deswegen überhaupt nicht, sagt er. Sein Mandant habe sich in dem Straffall sogar sehr kooperativ gezeigt. Er kehre sicher bald selber wieder in den vorzeitigen Strafvollzug zurück.

Das heute auf vier Standorte verteilte Bezirksgericht Arbon ist nach den Gerichtsferien unter einem einzigen Dach untergebracht, im Zentrum für angewandte Kreativität (ZaK), im ehemaligen Saurer-Werk 1 in der Altstadt.

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