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Im Depot, im Estrich, auf der Rampe
Spartenübergreifend, spielerisch und coronakonform: Mit einer Performance-Reihe erkundet die St.Galler Tänzerin Elenita Queiroz, was mit künstlerischen und materiellen Überbleibseln passieren kann. «Left over» geht jetzt in die dritte Runde.
Geprobte und dann nicht aufgeführte Stücke – Entwürfe, die von Corona zunichte gemacht worden sind – Ideen, die nicht realisiert werden konnten: Die Pandemie hat vieles im Kulturbereich unfertig zurückgelassen. Reste, Überbleibsel, Fragmente des künstlerischen Prozesses sollen aber nicht einfach verloren gehen. Das hat sich die aus Brasilien stammende, in St.Gallen lebende Tänzerin Elenita Queiroz gesagt und kurzerhand ein neues Projekt daraus gemacht: Left over.
Improvisieren über Sparten hinweg
Im Monatstakt über das ganze Jahr 2021 hinweg finden die Stücke oder «Editionen» statt, an zehn verschiedenen Standorten, die künstlerisch erkundet und in Improvisationen zum Leben erweckt werden. Den Auftakt machte eine Kollaboration mit dem St.Galler Kunstmuseum: Zwei Episoden sind im März und April bereits realisiert und gestreamt worden, die erste im Depot der Sammlung, die zweite im Estrich des Kirchhoferhauses. Die dritte Episode gibt es am 28. Mai outdoor, auf der Zulieferrampe hinter dem Kunklerbau.
«Ein Experiment», sagt Elenita Queiroz – und dies in mehrfacher Hinsicht. Zum einen ist das Projekt spartenübergreifend, neben ihr selber und der Tänzerin Mara Natterer sind die Schauspielerin Boglárka Horváth, der Musiker Raoul Nagel und die Filmerin Morena Barra dabei. Zum andern ist improvisiertes Theater auch Glückssache, wie die Tänzerin sagt: Manches gelingt, manches missglückt, jede Aufführung ist einmalig. Und zum dritten kommen zusätzliche «Mitspieler» hinzu: ein Gast, die Kamera und die immer wieder anderen Räume. Jetzt, Ende Mai soll erstmal auch ein «reales» Publikum dabei sein.
Die bisherigen Streams (zu finden auf elenitaqueiroz.com) zeigen, wie stark der Raum dem Stück mitspielt: Im Depot durften die hier gelagerten, verpackten Kunstwerke nicht berührt werden, im Estrich war ein enger Gang die «Bühne». Und das äusserliche und innerliche «Recycling»-Material der Beteiligten verband sich trotz Proben zu überraschenden Kombinationen.
Wie aus Altem Neues werden könne, das stachle ihre Neugier an, sagt Elenita Queiroz. «Es ist ein Forschungsprozess, wir sind am Lernen.» Das gehöre zur gewaltigen Unsicherheit, in die die Pandemie alle geworfen habe. Und nebenbei passt das Projekt mit seiner «Null-Abfall-Thematik» auch gesellschaftlich in die Zeit.
Left over Experiment ♯ 3: 28. Mai, 20 Uhr, Rampe Kunstmuseum St.Gallen
Sie selber hat die Pandemie halbwegs verschont: Als es losging, war sie schwanger, mit dem Neugeborenen war sowieso ein Mutterschaftsurlaub geplant – und ihr danach entwickeltes Stück, L’ultima, konnte während der Lockdown-Pause im Herbst gespielt werden. Dann aber kam im Dezember, kurz vor geplanten Aufführungen in der Lokremise, der neuerliche Lockdown. Wieder blieben Fragmente, Reste, Hoffnungen. «Das war die Zündung für die Idee von Left over», sagt Elenita Queiroz.
Für die weiteren Termine ab Juni ist das Team um Queiroz’ 2018 gegründete Formation Basis 56 noch auf Standortsuche. Unkonventionelle, nicht schon «bühnenreife» Orte sollen es sein, und gratis sollten sie sein, denn finanziell stehe das Projekt knapp da, unter anderem weil es mit seiner offenen, prozessartigen Anlage aus dem gewohnten Förderschema herausfalle. Eine Spendensammlung soll die Finanzierung unterstützen.
Dieser Beitrag erschien im Maiheft von Saiten.