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Entschleunigte Hummeln
Im Botanischen Garten fliegen am Freitag die Hummeln – zumindest musikalisch: Bassist Patrick Kessler führt mit seinem Chuchchepati Orchestra den «Hummelflug» von Nikolai Rimski-Korsakow auf. Das virtuose Stück erklingt maximal verlangsamt. Und die Insekten schwirren mit.

Die Lautsprecher des Chuchchepati Orchestra. (Bild: pd)
Der Weltrekord bei der Interpretation des Instrumentalstücks Hummelflug des russischen Komponisten Nikolai Rimski-Korsakow liegt bei 53,82 Sekunden – das sind für die 106 Takte 13 Noten pro Sekunde. Mit der Konzert-Installation Bumblebee Flight II stellen der in Gais lebende Kontrabassist Patrick Kessler und sein Chuchchepati Orchestra diesem Trend zur Beschleunigung die langsamste Interpretation entgegen: Angelegt als Serie wird pro Konzert jeweils nur ein Takt der Komposition interpretiert.
Die ersten vier Takte erklangen im September am Musikfestival Bern. Bei der bevorstehenden St.Galler Aufführung ist es jetzt Takt 5.
Dafür fliegen und brummen die Hummeln mit. Wissenschaftliche Feld- und Laboraufnahmen von Insekten, die über Schall und Vibration kommunizieren, werden mit den Instrumentalklängen des Orchesters verwoben. «Das Chuchchepati Orchestra hebt ab, schwärmt aus und macht den mehrstimmigen Klangraum zur blühenden Spielwiese», heisst es in der Ankündigung.
Bumblebee Flight II
Konzert-Installation für 8 bis 32 Lautsprecher, Insekten und Orchester: 3. Dezember, 20 Uhr (bei grossem Andrang auch um 21 Uhr), Botanischer Garten St.Gallen
Für Takt 5 hat Kessler zum einen den idealen Spielort gefunden: das Tropenhaus im Botanischen Garten St.Gallen. Zum anderen kooperiert er mit dem Tsonami Festival im chilenischen Valparaiso. Die Zusammenarbeit geht auf das Festival Klang Moor Schopfe 2019 zurück und wurde durch die Pandemie unterbrochen. Jetzt schlägt Kessler zumindest einen akustischen Bogen über den Atlantik: Das Konzert wird ins chilenische Radio übertragen.
Getrieben durch die sozialen Umwälzungen in Chile habe sich die Ausrichtung des Tsonami Festival stark verändert. Gesellschaftliche und ökologische Themen bildeten den Festival-Schwerpunkt, kollektive Lösungen würden gesucht. «Dazu passt der Weltrekordversuch des Chuchchepati Orchestra bestens», sagt Kessler. Denn auch ihm und seinen Mitmusikern geht es um die Natur: Ihr Langzeitprojekt sehen sie als Beitrag, den vom Aussterben bedrohten Insekten eine «Stimme» zu geben.
Die Insektenaufnahmen stammen von Wissenschaftler:innen der Universitäten von Trento (I), Desarrollo (Chile), Greenwich (UK), New Hampshire (USA), Slowenien, Tel Aviv und Amsterdam. Zum Chuchchepati Orchester gehören Ludwig Berger (Field recordings), Julian Sartorius (Drums) und Patrick Kessler.