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Bühne frei für Lust und Frust
Wie feiert ein Theater seine ersten zehn Jahre? Mit einem Stück, natürlich. Bei der Theaterwerkstatt Gleis 5 in Frauenfeld ist es eines, das mit einiger Selbstironie von der eigenen Arbeit erzählt. Am 6. Mai hat «Deus ex Machina» Premiere. Von Dieter Langhart

Im Theater-Olymp: Probenszene aus «Deus ex machina». (Bilder: Regina Jäger)
Die Presseorientierung ist alles andere als steif oder förmlich – genauso wenig, wie es das Stück werden soll.
Hier dreht Joe Fenner Schrauben in ein Bühnenbrett; da ruft Giuseppe Spina verzweifelt: «Es ist doch Pressekonferenz – wo sind die andern? Wir müssen einfach etwas liefern, egal was»; dort witzeln Rahel Wohlgensinger und Simon Engeli: «Das Geld vom Kanton ist sicher, wir können unsere fünf Kinder auf die Montessori-Schule schicken»; und dann hat Noce Noseda endlich seine Zigarette fertig geraucht und kommt durch den Seiteneingang herein.
Nur schon der Einstieg zeigt, wie diese Truppe arbeitet: kreativ, einfallsreich, unorthodox. Und erfolgreich seit nunmehr zehn Jahren in der ehemaligen Remise hinter dem Bahnhof Frauenfeld, auf dem stillgelegten Gleis 5.
In ihrem Jubiläumsstück Deus ex machina machen die fünf ihre eigene Geschichte zum Thema: «Wir feiern, dass sich aus dem gleichermassen mutigen wie naiven Abenteuer, ein neues Theaterunternehmen zu gründen, eine etablierte, geschätzte, ideenreiche und umtriebige Kulturinstitution im Thurgau entwickelt hat.» Keine leichte Aufgabe angesichts der Knüppel, die ihnen Corona zwischen die Beine schmiss.
Keiner ist Chef oder Intendant bei der Theaterwerkstatt, alle sind gleichwertig. Und alle sind auch anderswo unterwegs, Spina etwa als Regisseur beim kommenden Stück Lysistrata des See-Burgtheaters Kreuzlingen. Mehr als dreissig Inszenierungen sind in der Theaterwerkstatt und an den Open-Air-Spielorten wie Naturmuseum Thurgau oder Greuterhof Islikon entstanden, «seit geraumer Zeit jährlich vier Neuproduktionen».
Wenn alles schiefgeht
Köstlich ist die improvisierte Kostprobe für die Medienvertreter: ein Schlagabtausch zwischen den Spielern: «Soll ich etwas vom Migros holen? – Die Journalisten müssten längst hier sein. – Wir wären bereit. – Das war Teil der ersten Szene!»

Wanda Wilowa, Joe Fenner, Rahel Wohlgensinger, Noce Noseda, Giuseppe Spina, Simon Engeli, Carole Isler in Deus ex machina.
Das Stück Deus ex machina basiert auf einer Idee Simon Engelis. Es gehe um die Lust am Theatermachen, doch könne sich die Truppe nicht auf ein Stück einigen. Nur noch dreissig Tage bleiben bis zur Premiere, die Spieler kommen unter Zeitdruck und an den Rand des Wahnsinns, bei der Generalprobe bricht alles zusammen, doch dann raufen sie sich zusammen und stürzen sich ins Stück.
Fast alle Szenen hätten einen realen Hintergrund, Überspitzungen seien gewollt, geprobt werde gleichzeitig mit dem Schreiben des Stücks. Zuschauer:innen würden oft fragen: «Wie macht ihr das?» Deshalb wolle Deus ex machina sie hinter die Kulissen schauen lassen.
«Nicht demokratisch, aber strukturiert»
Deus ex machina: Premiere 6. Mai, 20 Uhr, Aufführungen bis 12.Juni, Theaterwerkstatt Frauenfeld
Für Giuseppe Spina ist Theater eine Art von Therapie und die Theaterwerkstatt der Ort, wo sich die fünf zerstreut lebenden und arbeitenden Mitglieder treffen und etwas aushecken. «Wir leben beim Entstehen – wenn wir einander zuhören», sagt Spina.
Doch was ist, wenn sie sich uneinig sind, gar streiten? «Theater ist nie demokratisch», sagt Noseda, «aber wir arbeiten sehr strukturiert.» Entschieden werde erst, wenn alle dahinter stünden, sagt Spina. Und Rahel Wohlgensinger fügt hinzu: «Wir haben keine Intendantin und lassen einander die Freiheit.» In den zehn Jahren der Theaterwerkstatt habe es lediglich einen Knatsch in der Truppe gegeben.
Vier Statements aus der Truppe: «Jede Inszenierung ist ein Wagnis – sie kann auch in die Hose gehen» (Rahel Wohlgensinger). «Auch eine Gefahr muss vorhanden sein, sonst bewegt man sich in der Komfortzone» (Giuseppe Spina). «Ich schaue gern und oft rein» (Carole Isler, Malerin und Mitspielerin). «In der Tonhalle Wil ist stets alles pfannenfertig und verschwindet wieder – hier begleite ich einen kreativen Prozess» (Florence Leonetti, Presse).
Das letzte Wort hat Giuseppe Spina: «Wir haben etwas bewegt für Frauenfeld, wir sind wie ein kleines Stadttheater mit einem vielseitigen Programm in wechselnden Besetzungen. Wir wollen auch wieder hinausgehen, auf Tournee gehen, die Ideen umsetzen, die die Pandemie in uns hat entstehen lassen.»