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Das Theater als Hexenkessel
Am Samstag hatte «Hexenjagd» im Theater St.Gallen Premiere. Regisseur Krzysztof Minkowski zeigt Arthur Millers Stück in grellen Farben. Aber so ganz beklemmend wird das doch nicht, schreibt Sebastian Ryser.

Als «Hexenjagd» 1953 zum ersten Mal aufgeführt wurde, barg das Stück einigen politischen Zündstoff. Es war die Zeit, als in den USA die Verfolgung von Linken und Kommunisten unter Senator McCarthy immer drastischere Dimensionen annahm. Gegen Intellektuelle und Künstler wurden ermittelt, viele wurden denuziert, es herrschte ein Klima der Angst.
In seinem Stück beschreibt Arthur Miller die individuell-psychologischen und politisch-strukturellen Mechanismen, die Misstrauen, Böswilligkeit und Verschwörungsangst in einem solchen Klima schaffen und antreiben. Der Clou dabei ist die Versetzung der Handlung in die Vergangenheit: Millers Stück nimmt Bezug auf die Hexenprozesse von 1692 in Salem, einem Dörfchen mitten im ländlichen Nirgendwo von Massachusetts.
Die Macht der Hysterie
Die Handlung setzt mit merkwürdigen Ereignissen ein, die das Dorf erschüttern: Einige Mädchen wurden bei seltsamen Tänzen mit dem Hausmädchen aus Barbados nachts im Wald ertappt. Seither befindet sich die Tochter des Pastors in einem seltsamen Wahnzustand. Für die Symptome wird keine Erklärung gefunden, und bald kommt der Verdacht auf, dass Hexerei am Werk sei. Wie ein Lauffeuer verbreitet sich die Vermutung unter den puritanischen Dörflern und fällt in der vergifteten Stimmung auf fruchtbaren Boden.
Die anderen Mädchen beginnen aus Angst vor Bestrafung und Rache, Frauen der Hexerei zu bezichtigen. Schwelendes Misstrauen kippt in Hysterie: Willkürlich wird eine Frau nach der anderen denuziert, festgenommen und verurteilt. Wer das rigorose Vorgehen des Gerichts kritisiert, wird sofort verdächtigt, mit dem Bösen im Bunde zu sein. Und nur wer gesteht, entgeht dem Tod am Galgen.
Mechanismen der Angst
Im Zentrum der Inszenierung von Regisseur Krzysztof Minkowski steht das Grundgefühl der Angst, die solche Hysterie nährt und abergläubisches Misstrauen in schonungslose Taten kippen lässt. Dabei geht es ihm nicht um psychologischen Realismus. Die Figuren schreien ihre Angst heraus, brüllen, toben.
Die Angst der bornierten Dörfler verknüpft Minkowski mit Formen von Fremdenhass in der Schweiz im Jahr 2015: Das angeblich vom Teufel besessene Mädchen brüllt immer wieder rassistische Hass-Parolen auf Schweizerdeutsch ins Publikum. Der Rest des Ensembles sitzt währenddessen in einer Reihe auf der anfangs ganz leeren Bühne (Bühnenbild: Konrad Schaller), starrt misstrauisch ins Publikum und murmelt vor sich hin.
Es gibt also durchaus Gegenwartsbezüge, die aber nicht weitergesponnen werden, was spannend gewesen wäre. Die übrigen Figuren bleiben texttreu im Neuengland des 17. Jahrhunderts. Das Publikum soll sich dennoch einbezogen fühlen: Die Bühne spiegelt die Architektur des Zuschauerraums, und wenn das Stück beginnt, bleibt das Licht an. Einzelne Zuschauer werden der Hexerei verdächtigt, bei Predigten und Verhandlungen wird das Publikum immer wieder direkt angesprochen. Da fühlt man sich manchmal wie in einer Freikirche, manchmal wie in einem Gerichtssaal.
Starkes Ensemble
Getragen wird das Stück von der ausgezeichneten schauspielerischen Leistung des ganzen Ensembles: Tobias Fend als fanatischer Pfarrer sowie Wendy Michelle Güntensperger, Boglárka Horváth, Danielle Green, Tim Kalhammer-Loew, Christian Hettkamp, Meda Gheorghiu-Banciu, Marcus Schäfer, Silvia Rhode, Luzian Hirzel und Oliver Losehand. Die Spannung hält allerdings nicht ganz durch, das Stück zieht sich in die Länge, es fehlen neue Einfälle der Regie, während immer mehr Bühnenelemente aufgefahren werden.
Dennoch lohnt die «Hexenjagd» einen Besuch – nur schon um zu merken, wie aktuell die Thematik sechzig Jahre nach dem Erscheinen des Stücks noch immer ist.
Nächste Vorstellungen: Freitag, 10. und Samstag, 18. April.
www.theatersg.ch
Bilder: Tine Edel