, 26. Januar 2020
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FCSG vs. FC Lugano 3:1 – St.Gallen gewinnt in der zweiten Halbzeit.

St.Gallen hat gegen Lugano erst in der zweiten Halbzeit ins Spielgeschehen eingegriffen. 45 Minuten Fussball, Demirovic und ein doppelter Ruiz reichten schlussendlich für einen verdienten 3:1 Sieg und den Sprung auf Platz zwei in der Tabelle.

FCSG – FC Lugano 3:1

Abpiff – Schiedsrichter Bieri beendet die Partie. Der FC St. Gallen bezwingt den FC Lugano – trotz Pausenrückstand – mit 3:1. Es war ein Steigerungslauf. War die erste Hälfte noch schwerfällig und uninspiriert, sah man in der zweiten Halbzeit bisweilen schon das Rauschhafte des Herbstes. Wir gehen jetzt nach Hause, geniessen die letzten Stunden einer heilen Welt namens Wochenende. Ein Wochenende, das mal wieder ein bisschen schöner war dank dem Fussball.

Minute 92 – Görtler mein absoluter Lieblingsspieler. Er hat die Uneigennützigkeit des technisch überforderten. Er hat den Willen der Leidenschaft. Er hat die Übersicht des Gemächlichen. Welch wunderbarer Spieler.

Minute 91 – „Machsch du do no echli?“, fragt R.S. und wischt jedes Pflichtbewusstsein mit einer Handbewegung weg. Er ist bereit, aufzubrechen. Die Kälte behagt ihm nicht, er will nach Hause. Sportpanorama, dann Znacht und später Tatort.

Minute 90 – Vier Minuten Nachspielzeit. There is a crack in everything. That’s how the light gets in.

Minute 89 – Demirovic geht, Ribeiro kommt.
That’s how the light gets in

Minute 88 – Was wohl die Lungenliga dazu meint, wenn künftig sogar Primarschüler mit „Zigi“ auf dem Rücken den Sportunterricht besuchen?

Minute 87 – Viel passiert hier nicht mehr. „Zigi, Zigi, Zigi!“

Minute 84 – „Zigi, Zigi, Zigi, Zigi!“ hallt durch das Stadion. Er dürfte verwirrt sein. So schnell hats noch keiner geschafft, sich in die Herzen der doch eher distanzierten Ostschweizer zu spielen. Der letzte war Jefferson bei seinem Debut. Dieser hat sich aber schnell wieder aus den Herzen verabschiedet, was Zigi hoffentlich nicht passiert.

Minute 80 – Uns ist übrigens unser journalistisches Gewissen spätestens nach dem dritten Bier sowas von scheissegal. Beim 3:1 gejubelt als hätten wir höchstpersönlich den Weltkrieg verhindert. R.S. macht sich nicht im Ansatz die Mühe, seine unbegründete Abneigung gegen die Unparteiischen kundzutun. Wir sind der Wolf im Schafspelz. Wir essen billige Sandwiches und trinken Gratis-Kaffee. Wir sind die Fans inmitten von Cüpli-trinkenden Insta-Storys. Wir sind verboten. Wir sind Senf.

Minute 78 – Ruiz wird heute keinen Hattick mehr erzielen, dafür ist die Bank zu bequem. Fazliji kommt für ihn. Er hat das Fussballspiel übrigens im gleichen Verein wie R.Z. gelernt.

Minute 74 – 11’133 Menschen sind da. Beinahe Espenmoos-Reminiszenzzahl.

Minute 73 – Ruiz drückt von der Strafraumgrenze ab. Zu schwach für ein Geschoss. Zu unplatziert, um Kunstschuss sein zu dürfen. Baumann ist trotzdem überfordert. Selbst ein Alibi-Hechtsprung bringt er nicht zustande. 3:1, das Ding ist durch. Der FCSG ist auch 2020 zu gut, um sich ärgern zu können. Was mir freilich missfällt, weil ich mich nun über anderes ärgern muss. Über mich zum Beispiel.

Minute „öpe 70“ – Herzerwärmend, wie Zigis Töchter Menthol, Rizla und E sowie Schwester Selbstgedrehte auf der Haupttribüne ihrem Zigi bei jedem Ballkontakt zujubeln.

Minute 68 – Zigi kommt weit aus dem Tor, um einen Ball zu klären. Das ganze Stadion flippt aus. Zigi scheint in 68 Minuten zum Publikumsliebling avanciert zu sein. Als Müller wär ihm das nicht passiert.

Minute 67 – Stergiou ist eigentlich ein 51-jähriger, mehr als passabler Seniorenkicker des FC Wattwils. Gefangen im Körper eines 17-Jährigen. Gesegnet mit der Erfahrung eines eines Regionalfussballers, der schon unzählige Schlachten gegen den Fussballverein des nächsten Dorfes geschlagen hat.

Minute 65 – Plötzlich läufts den Espen, warum auch immer. Nur Eckbälle können sie noch immer nicht. Was haben die in Spanien echt trainiert in der Winterpause?

Minute 64 – Mein Beim schmerzt. Ich scheine mir beim Torjubel eine Zerrung geholt zu haben. Mein Einsatz stimmt zumindest.

Minute 62 – Gimöno bleibt im Strafraum liegen, Schiri Bieri ist das egal.

Minute 57 – Wahnsinn! Ich kehre mit Bier zurück und tausende Menschen bejubeln meine Ankunft im Innenraum des Stadions. Wildfremde Menschen umarmen sich, feiern mein Dasein. Mutmasslich auch ein bisschen das 2:1 des FCSG. Victor Ruiz trifft nach einem heillosen Durcheinander im Tessiner Strafraum. Demirovic versuchte es erst. Dann Görtler, der aber nur einen gegnerischen Verteidiger abschiesst. Von diesem prallte die Kugel vor die Füsse von Ruiz, der schliesslich einnetzte.

Minute 55 – Nun ist was los hier. Ein Gejohle und Gepfeife, ein Geschreie und Geklatsche. Und Demirovic mit dem Hammer ins rechte Eck. Der nackte Wahnsinn. Dass R.S. das Tor verpasst hat, wegen Bierholen ist umso schöner.

Minute 52 – Während R.S. in Erinnerungen schwelgt, gibt der Espenblock den Gästen zu verstehen, was die Ticinesi sind. Wir möchten das hier nicht ausführlich behandeln, es lesen Kinder mit.

Minute 49 –Vor 20 Jahren war ich zum ersten Mal im Kybunpark. Ich sass auf dem Schoss meines Grossvaters. Er hustete, geschwächt von seiner Krankheit. Dann flüsterte er mir ins Ohr: „Weisst du, R.S., es gibt Tage, an denen schiesst der Espenblock Tore.“

Natürlich stimmt das. Nicht. Für ein paar geile Sätze machen wir alles, ohne Scheiss. Jedenfalls: St. Gallen spielt jetzt Richtung Espenblock. Und der erzielt manchmal Tore.

Minute 48 – Lugano auch nicht um eine Antwort verlegen. Der Eckball führt ins Nichts.

Minute 46 – Die Hausherren legen gleich los wie die Feuerwehr. Das war schon mehr Einsatz in den ersten Sekunden der zweiten Halbzeit als in 45 Minuten erster Halbzeit.

17 Uhr 03 – Doch nicht, nun sind alle da. Auch der 1.50m grosse Linienrichter. Weiter gehts.

17 Uhr 02 – Noch immer sind die Espen die Einzigen auf dem Feld. Das riecht nach 3:0 Forfait.

17 Uhr 00 – Die St.Galler scheinen bereit zu sein, sie stehen schon wieder auf dem Feld. Von Lugano, dem Schriri und der Kiss-Cam noch keine Spur.

16 Uhr 53 – Der Countdown zeigt an, in 8:13 geht das Spiel wieder weiter. Noch 8:13 Zeit für die Kiss-Cam.

16 Uhr 48 – Die ersten 45 Minuten dieses Jahres sind Geschichte. Vom Rausch des vergangenen Herbstes ist nur auf den Rängen etwas zu spüren. Obschon die Mannschaft von Peter Zeidler mehr Ballbesitz hat, ist Lugano gefährlicher. Die Tessiner konzentrieren sich auf das Konterspiel und überlassen Grün-Weiss den Ball. Das funktioniert: Die Gäste führen mit 1:0. Heilandzack, wir können’s ja.

16 Uhr 46 – PAUSE

Minute 44 – Man könnte zur Pause Babic bringen. Im Fall.

Minute 40 – Eigentlich ist mir dieser Rückstand ja einerlei. Wir sind ja nicht des Spiels wegen hier. Fussball. Oder auch: Vorwand, um am Sonntag Bier trinken zu dürfen. Der schönste Vorwand seit den Zigaretten voller Leichtigkeit.

Minute 39 – 0:1 für Lugano, Zigi ist geschlagen, der Kopfball war zu platziert. Irgendwie nicht ganz unverdient, vom FCSG kommt noch zu wenig.

Minute 35 – Lugano ist übrigens nicht nur wegen Baumanns Frisur ein verwirrendes Team. Wussten Sie, dass Luganos Holender eigentlich Ungar ist und gar kein Holländer? Ein übler Etikettenschwindel, mir kommt das spanisch vor.

Minute 34 – Noam Baumann verwirrt mich. Mit seiner neuen Frisur sieht er nicht mehr aus wie Noam Baumann. Warum tut er das?

Minute 31 – Letard prüft Zigi mit einer unkonventionellen Aktion. Zigi wie immer äusserst souverän. Bisher ein top Einkauf.

Minute 28 – R.S. hat keine Mühe, in die Gänge zu kommen. Wie eine Gazelle hüpft er zum Bierstand. Wie bei Gazellen üblich, besitzt er aber kein Geld, ich muss bezahlen.

Minute 25 – Der FCSG hat Mühe, in die Gänge zu kommen. Die Winterpause und ihre Wirkung ist unberechenbar. Seit dem letzten Super-League-Spiel ist einige Zeit vergangen. Ein dritter Weltkrieg hat stattgefunden, Trump war da, ich habe angefangen zu rauchen, wieder aufgehört, vermisst und geliebt. Eine Winterpause, ein Leben.

Minute 21 – „Irgendein Tessiner“ läuft unbedrängt Richtung St. Galler Tor und zieht ab. Zigi reagiert blitzschnell und lenkt den Ball am Tor vorbei. Erst euphorisierte „Zigi“-Rufe. Dann nimmt es ein grün-weisser Fan etwas zu ernst und zündet sich eine Pyrofackel an. Wunderkerzen des Stadions.

Minute 18 – Das St.Galler Abspielvisier ist noch nicht so richtig eingestellt. Die Bälle in die Tiefe sind bisher vor allem zu tief und zu schnell für den angedachten Abnehmer. Dieser heisst heute ubrigens Gimöno und nicht Babic. Für Babic geht die Winterpause noch etwas länger, er geniesst die Bank.

Minute 14 – Lovrics Freistossflanke aus dem Halbfeld segelt unberührt wie das 19-jährige Ich ins Aus. Im Gegenzug schlägt Muheim im linken Couloir eine Flanke. „Nei!“, ruft R.S., und erklärt dann: „De Gümmeler isch nöd an Ball cho.“

Minute 11 – R.S. blinzelt glücklich in die Abendsonne, während der St. Galler Anhang Körperteile in der Intimzone des Gastes aus dem Tessin besingt. R.S. beschwingt: „Ach, hani die Chraftusdrück vermisst.“

Minute 9 – Maurizio Jacobacci mit seinen grau-melierten, nach hinten gegelten Haaren, mit dem dunkelblauen, etwas zu engen Sakko, dem pseudo-intellektuellen Schal, der um den Hals gelegt ist. Trägt dazu weisse Sneakers. Alles an ihm ruft: Midlife-Crisis. Führt nach dem Spiel die Freundin seiner Tochter zum Essen aus. Nimmt nur die zweitbilligsten Pasta, die Scheidung war teuer.

Minute 7 – Ein Luganer im Abseits. Der Schiri lässt aber noch ewigs weiterspielen bevor er abpfeift. Verwirrend. Für uns und den Spieler.

Minute 5 – Ein Balljunge macht im falschen Moment das Spiel schnell. Warum macht er das? Geniessen die keine Ausbildung? Er soll gefälligst den Ball behalten, bis sich die grün-weisse Defensive sortiert hat.

Minute 2 – Der FCSG und der Bierstand hinter dem Tor müssen heute übrigens auf Leser A.K. verzichten. Sein frisch zusammengeflicktes Kreuzband lässt leider heute keinen Einsatz zu. Er kommt aber back stronger.

Minute 1 – Das Spiel läuft.

15 Uhr 55 – Unsere arg gebeutelte Profession betreibt Wissensaustausch und fachsimpelt über das anstehende Spiel. Es werden letzte Tipps abgegeben. R.S. lächelt das Lächeln des Wahnsinnigen und sagt ein 7:0 voraus. Ein Herr neben mir sieht das Ganzer etwas nüchterner: „I säg, es git e 1:1.“ Schliesslich melde ich mich zu Wort: „E mieses 0:1.“

15 Uhr 52 – „Bim Chines z Gossau“, weiss R.S., gebe es frittiertes Vanilleglacé. Meinem Wesen sei dieser schmackhafte Dessert nicht unähnlich, führt R.S. dann aus. Innen kalt, aussen heiss. Nun ja.

15 Uhr 45 – Mein unerschütterliches Lächeln des Zufriedenen irritiert R.S. zutiefst. Was denn mit mir los sei, will er wissen. Ich freue mich nur, ihn mal wieder zu sehen. Die letzten Spiele musste ich mit R.S. und R.Z. tickern. Die Zeit, die ich mit den beiden verbringe, ist mitunter äusserst verstörend. Mit R.S. ist es anders, sein Schweigen erfüllt mich mit einer inneren Ruhe, von der ich die ganze nächste Woche zehren werde.

15 Uhr 37 – Im Tor steht nun also Lawrence Ati Zigi. R.S. und meine Wenigkeit haben unsere People-journalistischen Pflichten wahrgenommen und im Leben von Zigi geforscht. Wir verraten exklusiv die Namen der Kinder von Zigi: Menthol, Rizla und E. Menthol ist das älteste Kind, mittlerweile in der Gastronomie tätig. Nicht besonders fleissig, hat die Perspektivlosigkeit des Berufs längst akzeptiert. Selten gutes Trinkgeld, weiss aber ab und an einen guten Ratschlag für heillos Besoffene. E ist das uneheliche Kind mit einer Asiatin.

15 Uhr 31 – Klimawandel? Ohne Scheiss: geil! Ende Januar und gefühlt zwanzig Grad. Ich entledige mich nun meines Pelzmantels. Entschuldige, Fuchs, Katze, Wildsau und Elefant (Reissverschluss). Ihr habt fürs Erste grundlos gelitten.

15 Uhr 26 – Bin da. Hoffnungslos genervt von der hohlen Lebensfreude der Menschen, die sich grundlos von flüchtigen Umständen wie Sonne und Wochenende beflügeln lassen. R.S. trifft auch ein, bringt aber nur ein Bier. Ich weise ihn umgehend daraufhin, worauf er ein Zweites bringt. Lächelt das unerschütterliche Lächeln des Zufriedenen. Ich merke: Heute wird es anspruchsvoll.
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